Elantris
und zog ihn nach oben. Er bewegte die Arme, um sich gegen die steinerne Decke abzustützen, traf jedoch auf keinen Widerstand. Kurz darauf tauchte sein Kopf aus dem Wasser auf, und sein nasses Gesicht fühlte sich im Wind kalt an. Er blinzelte unsicher und nahm allmählich die Umgebung wahr, obgleich die Sterne und ein paar spärliche Straßenlampen nur trübes Licht boten. Es reichte jedoch, um seinen Orientierungssinn wiederzuerlangen - und vielleicht auch seinen gesunden Menschenverstand.
Raoden ließ sich träge im Wasser treiben. Hier an der Oberfläche verbreiterte sich der Fluss, und die Strömung verlor rasch an Geschwindigkeit. Als er spürte, wie im Wasser eine Gestalt auf ihn zukam, versuchte er zu sprechen, doch seine Lungen waren voll. Das Einzige, was er zustande brachte, war ein lauter, unkontrollierbarer Hustenanfall.
Eine Hand legte sich ihm auf den Mund, sodass das Husten in ein Gurgeln überging.
»Ruhig, Narr!«, zischte Karata.
Raoden nickte und gab sich Mühe, den Hustenreiz unter Kontrolle zu bringen. Vielleicht hätte er sich weniger auf die theologische Metaphorik der Reise konzentrieren und dafür lieber den Mund geschlossen halten sollen.
Karata ließ seinen Mund los, hielt sich aber weiter an seinen Schultern fest, sodass sie zusammen blieben, während sie an der Stadt Kae vorbeiglitten. Die Geschäfte waren über Nacht geschlossen, aber gelegentlich patrouillierte eine Wache durch die Straßen. Die beiden trieben schweigend weiter, bis sie den Nordrand der Stadt erreicht hatten, wo sich Iadons burgartiger Palast in die Nacht erhob. Dann schwammen sie, immer noch ohne etwas zu sagen, in der Nähe des Palastes ans Ufer.
Der Palast war ein dunkles, düsteres Bauwerk - ein deutlicher Beweis für Iadons eine große Schwäche. Raodens Vater hatte kaum je Angst, vielmehr war er häufig in Situationen kampflustig, in denen es klüger wäre, vorsichtig zu sein. Dieser Charakterzug hatte ihm beim Handel mit Fjorden Reichtum eingebracht, doch als König hatte er ihn versagen lassen. In einer einzigen Hinsicht war Iadon geradezu paranoid: beim Schlafen. Der König hatte schreckliche Angst, dass sich Attentäter einschleichen und ihn im Schlaf ermorden könnten. Raoden konnte sich noch gut an die irrationalen Dinge erinnern, die sein Vater jeden Abend vor dem Zubettgehen vor sich hin murmelte. Die Sorgen, die das Königsein mit sich brachte, hatten die Sache nur schlimmer gemacht, und Iadon hatte seinen ohnehin einer Festung ähnelnden Palast mit einem Wachbataillon versehen. Die Soldaten wohnten in der Nähe von Iadons eigenen Gemächern, damit sie rasch auf jeglichen Zwischenfall reagieren konnten.
»Also gut«, flüsterte Karata mit einem unsicheren Blick auf die Wachen, die auf den Zinnen auf und ab gingen, »Ihr habt uns rausgebracht. Nun bringt uns auch hinein.«
Raoden nickte und versuchte, seine wassergefüllten Lungen so leise wie möglich zu leeren, was ihm erst nach langem verhaltenem Würgen gelang.
»Versucht, nicht so viel zu husten«, riet Karata ihm. »Ihr reizt bloß Euren Hals, und Eure Brust wird ganz wund, und dann werdet Ihr Euch bis in alle Ewigkeit erkältet fühlen.«
Stöhnend stemmte Raoden sich auf die Beine. »Wir müssen auf die westliche Seite«, sagte er, seine Stimme nur noch ein Krächzen.
Karata nickte. Sie bewegte sich leise und schnell - was ihr viel besser gelang als Raoden wie jemand, der daran gewöhnt war, ständig in Gefahr zu schweben. Etliche Male hielt sie an und streckte warnend die Hand nach hinten, kurz bevor ein Wachtrupp aus der Dunkelheit auftauchte. Dank ihres Geschicks gelangten sie ohne Zwischenfälle auf die Westseite von Iadons Palast, auch wenn Raoden sich bei Weitem nicht so geschickt anstellte.
»Und jetzt?«, erkundigte sie sich leise.
Raoden hielt inne. Nun stellte sich ihm eine Frage. Warum wollte Karata in den Palast gelangen? Nach dem zu schließen, was Raoden über sie gehört hatte, wirkte sie nicht wie jemand, der Rache üben würde. Sie war brutal, aber nicht rachsüchtig. Aber was, wenn er sich täuschte? Wenn sie doch auf Iadons Blut aus war?
»Nun?«, fragte Karata.
Ich werde nicht zulassen, dass sie meinen Vater umbringt, entschied er. Egal, was für ein schlechter König er ist, das werde ich nicht erlauben. »Zuerst müsst Ihr mir eine Fragen beantworten.«
»Jetzt?«, wollte sie verärgert wissen.
Raoden nickte. »Ich muss wissen, warum Ihr in den Palast wollt.«
Sie runzelte im Dunkeln die Stirn. »Ihr könnt es Euch nicht
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