Elben Drachen Schatten
worden. Von dort aus wurde das Holz bis zum ebenfalls neu gegründeten Hafen Tiragond an der elbianitischen Küste gebracht, wo größere Schiffe darauf warteten, die Ware nach Elbenhaven oder weiter in den Norden zu transportieren.
König Keandir sah seinen Sohn ernst an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Noch gibt die Finsternis, die in deinem Bruder und mir ist, uns Kraft. Aber sollte sich diese Kraft einmal zerstörerisch gegen uns selbst wenden, dann braucht Elbiana jemanden, der es führen kann. Deshalb kannst du dich nicht einfach zurückziehen und dich allein deiner geistigen und spirituellen Erbauung widmen. Elbiana ist auch dein Reich.«
Andir dachte genau über seine Antwort nach, dann erklärte er sich dazu bereit, sich zumindest für eine gewisse Zeit am Aufbau des Elbenreichs zu beteiligen.
Er unterwies Gruppen von Magiern und Baumeistern in der Anwendung von »Reboldirs Zaubers« und reiste selbst durch das Land, um bei der Anwendung zu helfen. Die ersten Gebäude, die auf diese Weise entstanden, wirkten noch unvollkommen, wie Bauten, die nicht vollendet waren. Und manche dieser durch die Macht der Fantasie entstandenen Bauwerke brachen in dem Moment in sich zusammen, da sie vollkommen materialisiert waren. Immer wieder versuchte Andir sowohl Magiern als auch den Baumeistern beizubringen, dass »Reboldirs Zauber« volle Konzentration und alle nur zu Verfügung stehende geistige Energie abverlangte, damit das Ergebnis kein Desaster war.
Die Ruinen fantastischer Luftschlösser, die in sich zusammengebrochen waren wie Kartenhäuser, waren noch Zeitalter später überall in Elbiana zu finden. Aber die Elben lernten. Sie lernten unter Andirs Anleitung, ihre Gedanken im Ritual von Reboldirs Zaubers so zu konzentrieren, dass schließlich Bauwerke materialisierten, die den Bedingungen der realen Welt standzuhalten vermochten. Bauwerke, die die Eleganz und die Schönheit von Traumgebilden mit der Stabilität und Solidität in herkömmlicher Bauweise errichteter Mauern zu verbinden wussten.
Baranee und Baranor entstanden an der Küste von Mittel-Elbiana, Nordhaven, Elbanor und Siranee in Nord-Elbiana und Minasar am Nordufer des Nur, der zusammen mit der westlichsten Gipfelkette von Nordbergen so etwas wie eine natürliche Grenzlinie Elbianas bildete.
Das Ansehen Andirs stieg während dieser Jahre unter der elbischen Bevölkerung auf eine Weise, die es seinem Bruder Magolas schwermachte, dies zu ertragen. Den »Magierprinzen« nannte man seinen Bruder, aber auch den »Erbauer Elbianas«, was in gewisser Weise auch der Wahrheit entsprach.
Noch immer gingen sich die Brüder aus dem Weg. Sie redeten nur miteinander, wenn es sich bei Beratungen des Kronrats, dem beide Prinzen selbstverständlich angehörten, nicht vermeiden ließ. Und selbst dann sprachen sie zumeist nicht zueinander, sondern brachten ihre oft widerstreitenden Argumente in unpersönlicher oder indirekter Form vor. Selbst einen offenen Blick scheuten sie.
König Keandir machte angesichts dieses offenbar selbst durch die Zeit nicht zu heilende Zerwürfnis Sorgen. Vor allem dachte er daran, wer das Reich regieren sollte, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Er neigte dazu, für diesen Fall Magolas als Königsnachfolger vorzusehen, da er diesem – trotz Andirs inzwischen unbestrittener Verdienste beim Aufbau des Reichs – eher jene Entschlusskraft zutraute, die ein König haben musste. Also verfasste König Keandir ein entsprechendes Testament, das er Prinz Sandrilas übergab, seinem engsten und ältesten Vertrauten zur Aufbewahrung.
»Sollte mir etwas zustoßen und die Umstände so sein, wie ich sie mir zurzeit denke, dann soll Prinz Magolas mein Nachfolger sein«, erklärte er dem Einäugigen. »Sollten aber wichtige Ereignisse eintreten, die ich nicht vorhersehen konnte und die eindeutig gegen meine Wahl sprechen, so habt Ihr das Recht, eine abweichende Entscheidung zu treffen und dieses Testament zu vernichten.«
»Ihr legt viel Verantwortung in meine Hände, mein König«, sagte Sandrilas.
»Ihr bringt die nötige Erfahrung mit, um ein sicheres Urteil fällen zu können«, war der König überzeugt. »Ihr habt noch die Gestade von Athranor gesehen, die gesamte Seereise in ihrer ganzen Trostlosigkeit mitgemacht und Euren unschätzbaren Beitrag beim Aufbau Elbianas geleistet. Wer wäre besser geeigneter als Ihr, um in schwerer Not den rechten Weg zu wählen?«
Der Einäugige verneigte sich vor seinem Herrscher. »Ich werde alles
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