Elben Drachen Schatten
Augen.«
»Ich hoffe, Ihr habt auch ansonsten genau in seine Augen geschaut«, entgegnete Andir – doch schon im nächsten Moment bedauerte er diese unbedachte Äußerung. Weder das, was zwischen ihm und Magolas während ihrer Seereise vorgefallen war, noch die erschreckende Schwärze, die Andir in den Augen König Keandirs gesehen hatte, waren jemals zwischen Andir und seiner Mutter zur Sprache gekommen. Es war, als wären beide Themen für ihn ein Tabu. Den genauen Grund dafür hätte Andir nicht zu sagen vermocht. Vielleicht weil er nicht wusste, wie weit der König seine Gemahlin in diese Dinge einbezogen hatte. Andir bezweifelte nämlich, dass er das getan hatte.
In diesem Punkt hatte er durchaus Recht – und doch irrte er in seiner Annahme, dass Königin Ruwen völlig ahnungslos war.
»Ich weiß, dass du die Dunkelheit in den Augen deines Vaters gesehen hast«, sagte seine Mutter zu seiner maßlosen Überraschung, »und dass du nun befürchtest, dass in dir etwas Ähnliches zum Vorschein kommen könnte.«
Andir starrte sie fassungslos an. »Ich … wundere mich, dass er mit Euch darüber gesprochen hat, Mutter«, bekannte er.
»Das hat er nicht. Niemals. Aber es wurde mir irgendwann von allein klar, dass er sich, nachdem er von Naranduin zurückkehrte, verändert hatte. Und vor kurzem habe ich zum ersten Mal die Schwärze in seinen Augen gesehen. Es war nur ein winziger Moment, und jemand, der ihn nicht so gut kennt wie ich, hätte es vielleicht gar nicht bemerkt. Aber ich erkannte die düstere Kraft in ihm.«
»Und Ihr habt ihn nicht darauf angesprochen?«, wunderte sich Andir. Er schüttelte verständnislos den Kopf. Er hatte immer geglaubt, dass zwischen ihm und seiner Mutter ein ganz besonderes Verständnis herrschen würde. Aber in diesem Augenblick hatte er das Gefühl, dass diese Verbindung unterbrochen war ― zum ersten Mal in seinem Leben.
»Warm sollte ich?«, fragte sie. »Ja, es stimmt, dass er sich nach den Geschehnissen auf Naranduin veränderte. Aber diese Veränderungen erwiesen sich durchaus nicht als schlecht. Ganz im Gegenteil, ich glaube, diese Kraft, die da in im erwachte, ermöglichte es erst, dass er das neue Reich der Elben errichten konnte. Und so lange er diese Kraft zum Guten einsetzt und unter Kontrolle hat, sehe ich keinen Grund, mir Sorgen zu machen. Zumindest nicht um ihn.«
»Worum dann?«
Ruwen sah Andir mit sehr ernstem Blick an. »Um meine Söhne. Noch bevor ihr zur Welt kamt, plagte mich ein Traum, in dem ihr – bewaffnet mit den Zauberstäben des Augenlosen Sehers – gegeneinander kämpftet!«
»Ein Traum mit fast prophetischen Charakter«, murmelte Andir düster.
»Genau das war meine Befürchtung, Andir. Magolas und du – ihr entwickelt euch in verschiedene Richtungen, und es scheint nichts mehr zu geben, das euch aneinander bindet.«
Andir nickte traurig. »Das Band zwischen uns ist zerrissen. Die Erinnerung an unsere Gemeinsamkeit verblasst.«
»Vergiss nicht, dass ihr beide die Söhne des Königs seid und dass man in der Zukunft viel von euch erwarten wird. Und zwar in einer Zukunft, die wahrscheinlich gar nicht mehr so furchtbar lange auf sich warten lassen wird.«
»In Magolas wirkt die gleiche dunkle Kraft wie in meinem Vater«, eröffnete Andir seiner Mutter.
Es traf Ruwen schwer, dies über ihrem Sohn Magolas zu hören. Sie griff sich ans Herz, ließ sich stöhnend auf einen Schemel nieder und starrte Andir an, bevor sie ihn mit leiser, brüchiger Stimme fragte: »Du sahst die Schwärze auch in seinen Augen?«
Andir bejahte ihre Frage mit einem Kopfnicken. »Und wenn ich es dem König vielleicht noch zutraue, diese Mächte zu kontrollieren, so bin ich bei Magolas längst davon überzeugt, dass er ihr Spielball geworden ist.«
Wieder versetzten seine Worte ihr einen Stich, dann aber sagte sie: »Du urteilst zu hart über deinen Bruder.«
»Wirklich? Vielleicht sind es die dunklen Schatten in den Seelen des Königs und seines Sohnes Magolas, die die Jenseitigen veranlassten, sich von uns abzuwenden.«
Ruwen wusste darauf nichts zu erwidert. Sie war erschüttert. Vielleicht hatte Andir recht damit …
Magolas hatte sich in diesen Jahren sowohl in der Seemannskunst als auch in der des Reitens und des Kampfes mit den unterschiedlichsten Waffen vervollkommnet. Darüber hinaus zeigte er großes Interesse an der Werkstadt des Waffenmeisters Thamandor, der stets versuchte, unter Berücksichtigung der Naturgesetze und unter Anwendung von Magie neue
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