Elben Drachen Schatten
Euch dadurch helfen kann!«
»Helfen – wobei?«
»Den dunklen Zauber zu lösen, der über diesem Ort liegt. Wir sind dabei aufeinander angewiesen, denn allein schafft es keiner von uns.« Der Augenlose stieß ein paar glucksende Laute aus, Ausdruck seiner von Zynismus und Schadenfreude geprägten ganz speziellen Art der Heiterkeit. »Im Gegensatz zu Euch macht es mir allerdings nichts aus, ein weiteres Äon auf ein paar fähige Helfer zu warten, falls Ihr nicht mit mir zusammenarbeiten wollt. Zeit hat für mich eine andere Bedeutung als für Euch. Ihr seid zwar langlebig, aber an einem Ort wie diesem würde Euch der Lebensüberdruss überkommen und innerhalb kürzester Zeit dahinraffen.«
Der Elbenkönig horchte auf. Der Augenlose wusste also vom Lebensüberdruss, dieser nahezu unheilbaren Krankheit, die nicht zu vergleichen war mit jener Schwermut, unter die die Elben mittlerweile alle litten.
»Ich werde nichts für Euch tun, Augenloser!«, rief Keandir, hob das Schwert und richtete dessen Klinge gegen den Seher.
Dessen Mund verzog sich spöttisch. »Heute war schon ein Angehöriger deines Volkes so töricht, mich mit einer Waffe zu bedrohen, doch sah er rechtzeitig ein, wie närrisch dies war ― denn ich bin mächtig genug, Euch wie Asseln zu zertreten!«
»Doch hat auch Eure Macht Grenzen, wie Ihr selbst zugegeben habt!«, entgegnete Keandir.
»Seid vernünftig, König der kurzlebigen Narren – denn nichts anderes seid Ihr nach meinen Maßstäben.«
Keandir wusste, dass es sinnlos war, gegen den Augenlosen zu kämpfen. Zumindest auf die Art, wie er dem Furchtbringer entgegengetreten war. Der Elbenkönig wählte einen anderen Weg. Er warf dem Seher das Schwert vor die Füße.
»Was soll das, Möchtegern-König eines Reichs, das nur auf den schwankenden Planken Eurer Schiffe und in Eurer Vorstellung existiert?«
»Wie ich schon sagte, ich werde nichts mehr für dich tun«, erklärte Keandir, »keinen Handschlag und keinen Schwertstreich mehr. Du hast mich einmal benutzt, aber das wird dir nicht ein zweites Mal gelingen!«
»Es wäre nicht zu Eurem Nachteil«, beteuerte der Augenlose. »Wie gesagt, nur zusammen wir haben eine Möglichkeit, den Zauber zu durchdringen, der sowohl Euch als auch mich hier festhält!«
»Ich will die volle Wahrheit wissen«, verlangte Keandir. »Alles, was von Belang ist. Wer seid Ihr? Warum wurde ein Zauber über Euch gelegt? Wer tat dies? Und was ist dies hier für ein Ort?«
»Gut«, stimmte der Augenlose überraschend schnell zu. Er verzog wieder den Mund, diesmal jedoch, als würde ihn Schmerz durchfahren, und ein stöhnender Laut kämpfte sich aus seiner Brust.
»Euer Schauspiel beeindruckt mich nicht«, sagte Keandir kalt. »Mir ist klar, dass wir Eure Gefangenen sind, solange wir uns im Inneren dieses Bergs befinden. Aber das bedeutet nicht, dass Ihr mit mir machen könnt, was Ihr wollt!«
»Ich bin gern bereit, das mit Euch zu besprechen, edler Keandir.«
»Dann bitte!«
»Aber nicht hier und jetzt!«
»Wieder nur Ausflüchte und taktisches Lavieren?«
»Nein.« Der Seher streckte die Hand mit dem hellen Zauberstab aus und deutete damit auf den dunklen See. Auf dessen Oberfläche bildeten Wellen konzentrische Kreise. »Wir sollten das alles nur nicht hier besprechen. Unsere Anwesenheit ist für den Furchtbringer eine Provokation und fördert nur seine Erholung, vielleicht sogar den Wechsel in eine Erscheinungsform, die noch unangenehmer ist, als es die letzte für Euch war, König Keandir.«
Keandir verengte die Augen. Die Erinnerungen an den Kampf drängten sich ihm erneut auf, mit einer Intensität, die ihn Augenblicke lang an nichts anderes denken ließ. Er fühlte noch einmal die namenlose Furcht, die er während des Kampfes empfunden hatte.
Keandir schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich an die Visionen zu erinnern, die ihm das Orakel vor dem Kampf gesandt hatte, aber die Bilder verblassten bereits wie ein Traum. Was war mit der strahlenden Zukunft des Elbenvolks, die er gesehen hatte? War dies nur eine Illusion gewesen? War das alles hinfällig, wie der Augenlose gesagt hatte?
»Was ist mit Euch, mein König?«, fragte Branagorn besorgt.
»Es ist nichts«, murmelte Keandir.
Der Augenlose kreuzte die beiden Zauberstäbe und hielt sie in Richtung einer Felswand. Ein Gang eröffnete sich vor ihnen, und Dutzende von Fackeln entzündeten sich an den Wänden.
»Worauf wartet Ihr noch?«, fragte er.
Keandir blickte zurück zum dunklen
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