Elben Drachen Schatten
Teufel etwa nicht nur auf sprachlicher Ebene verinnerlicht?«
Eine düstere übersinnliche Gestalt namens Teufel, eine Art bösartiger Götze, spielte sowohl im Sonnenkult als auch in der inzwischen weitgehend verdrängten Religion des Mondgottes eine nicht unbedeutende Rolle. Und nicht nur bei den Rhagar-Menschen war die Furcht vor diesen Schlimmsten aller bösen Götter verbreitet, sondern auch bei den Tagoräern. Für die Elben hingegen war die Vorstellung, es könne einen oder gar mehrere Teufel geben, bisher fremd gewesen; auch wenn man den Maladran verschiedene üble Eigenschaften nachsagte, so sahen die elbischen Schamanen in ihnen doch eher bedauernswerte Seelen und weniger die Diener von Boshaftigkeit, Grausamkeit und Niedertracht.
Prinz Sandrilas verzog mürrisch das Gesicht. »Es ist lange her, dass mir ein Mensch aus Athranor im Kampf das rechte Auge nahm, und meine grundsätzliche Abneigung gegen die Menschen hat daher im Laufe der Zeitalter etwa nachgelassen«, erwiderte er. »Vielleicht fließen deshalb Bruchstücke ihrer Sprache auch in meinen Wortschatz ein. In vielen Jahrhunderten der mehr oder zumeist weniger friedlichen Koexistenz lässt sich dies nicht vermeiden, und auch wenn ich alt sein mag, so bedeutet dies nicht, ich wäre konservativ.«
»Die Menschen von Athranor waren schon nur noch eine Legende, als ich geboren wurde«, sagte Lirandil, »und viele glauben, es hätte sie nicht gegeben und die Erinnerungen der Alten würden sie trügen.«
Prinz Sandrilas wies auf die Augenklappe über seiner rechten Gesichtshälfte. »Ich erinnere mich noch gut an sie, denn einer von ihnen hinterließ mir dies Andenken. Doch mein Groll gegen dieses Volk verstummte im Lauf der Jahrhunderte. Es ist Dummheit, ein Volk für das zu hassen, was ein Einzelner tut.«
Lirandil nickte. »Es gibt ein Sprichwort der Rhagar, das lautet: Die Zeit heilt alle Wunden.«
»Wobei es mich immer gewundert hat, dass dieses Sprichwort ausgerechnet unter Menschen Verbreitung finden konnte, deren Selbstheilungsvermögen doch nun bekanntermaßen ausgesprochen schlecht ist«, warf Siranodir mit den zwei Schwertern ein.
»Und was die Zeit angeht, so steht den Menschen ja auch nicht sonderlich viel zur Verfügung«, ergänzte Thamandor.
»Wie auch immer«, grummelte Sandrilas. »Trotz allem darf man nicht vergessen, wie wankelmütig und sprunghaft die Menschen sind, gerade aufgrund ihrer Kurzlebigkeit. Man trifft mit einem ihrer Führer eine Vereinbarung, und hundert Jahre später sitzt sein Nachnachnachfolger auf dem Thron und kann sich an keine Abmachung mehr erinnern. Außerdem wird ihr Verhalten immer wieder von Gefühlen bestimmt, sodass es sich sehr schwer voraussagen lässt.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber das heißt nicht, dass sich ihre barbarischen Sprachbilder nicht bisweilen gut dazu eignen, um ebenso barbarische Sachverhalten eindrucksvoll darzustellen.« Und mit dem Anflug eines Lächelns fügte er hinzu: »Teufel auch!«
Dass ausgerechnet er es gewesen war, der seinerzeit das Bündnis zwischen dem Rhagar-Reich Aratan und den Elben gegen die übermächtig gewordene Südwestlande geschmiedet hatte, erwähnte der Prinz nicht. Im Zweifel obsiegten bei ihm stets die praktische Notwendigkeit, und er ließ es nicht zu, dass Emotionen seinen Verstand trübten. Damals war er überzeugt davon gewesen, mit diesem Bündnis das Elbenreich zu schützen. Allerdings hatte sich diese Entscheidung im Nachhinein als das größte Fiasko der elbianitischen Außenpolitik erwiesen, denn nur so war es Magolas möglich gewesen, den aratanischen Thron zu gewinnen und die Macht über die Rhagar zu erringen. Dass er selbst in Abwesenheit des Königs die Bedingungen zur Gründung des Magolasischen Reichs geschaffen hatte, war für Prinz Sandrilas viel schwerer zu verwinden als der Verlust seines Auges vor vielen Zeitaltern in Athranor.
König Keandir hatte zuletzt dem Gespräch seiner Getreuen nicht mehr zugehört. Ihre Wortgefechte, mit denen sie sich bisweilen die Zeit zu vertreiben beliebten und die auch eher den Charakter eines sportlichen Wettkampfs hatte, interessierten den König in diesen Momenten nicht. Denn er spürte etwas - die Aura finsterer Magie, die wie eine Glocke über der Insel lag. Die Vermutung, dass sich Xaror – oder sein Geist – bereits auf Naranduin befand und die Ankömmlinge erwartete, wurde zur Gewissheit.
»Er überblickt die Schicksalslinien und ihre Verstrickung sehr viel weiter, als ich es für
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