Elben Drachen Schatten
einen grünlich schimmernden Stein des Magischen Feuers. Die lederhäutigen Flügel des Äfflings spreizten sich raschelnd und falteten sich dann sorgfältig wieder auf dem Rücken des Wesens zusammen.
Den Stein in der Hand, stieß Oou einen markerschütternden Schrei aus, der sein ganzes Unverständnis darüber ausdrückte, dass er diesen Stein nicht behalten und zur Pflege der Waffen nutzen konnte, wie es unter seinesgleichen bis vor einiger Zeit üblich war. Aber der Befehl seines Herrn war unumstößlich. Der Ouroungour ließ einen weiteren schrillen Laut folgen, der von einem halben Dutzend anderer Äfflinge ärgerlich erwidert wurde.
Die ganze Gruppe war auf dem von Urwald eingeschlossenen Felsen der sechs Steindornen gelandet und führte den Befehl aus, den ihnen die Stimme ihres Herrn schon vor langer Zeit erteilt hatte, und seither befolgten sie diesem Befehl, auch wenn sie dessen Sinn nicht begriffen.
Oou trat an den dunklen Schlund, der sich in der Mitte zwischen den in die Höhe ragenden Steindornen gebildet hatte. Der Schlund hatte die Länge von vier Speeren und war ebenso breit, und seine Form war in etwa kreisförmig, variierte aber. Es machte ganz den Eindruck, als hätte sich die schwarze Oberfläche des Gesteins an dieser Stelle verflüssigt, aber das war nicht der Fall.
Der Äffling trat bis an den Rand dieses Schlunds, aus dem ein fauliger und stechender Geruch empordrang, und ließ den Stein fallen; im nächsten Moment platschte er in die zähflüssige Brühe, die den Schlund füllte, und der Stein versank. Der Äffling schaute zu, dabei finster knurrend und grummelnd, während der Rest der Gruppe einen dumpfen Singsang anstimmte. Dabei stießen sie die Schäfte ihrer Speere und Dreizacke geräuschvoll und in einem primitiven Rhythmus gegeneinander.
Der Nächste von ihnen war an der Reihe, und auch er tat, was getan werden musste – wenn auch nicht klaglos, denn er zeterte ebenso wie sein Vorgänger lautstark herum.
Mit diesem Zetern begann es immer. Jedes Mal, wenn der Herrscher sie rief und die magischen Steine verlangte, beklagten sich die Äfflinge. Aber dieses Klagen verstummte schließlich und wich lethargischer Gleichgültigkeit. So war es immer.
Oou stützte sich auf seine Waffen und sah der Zeremonie mit schwindendem Widerwillen zu. Jedes Mal, wenn ein oder zwei magische Steine im trüben Morast des Schlundes versanken, spürte er zunächst noch einen Stich. Er verspürte sogar Mitleid mit denen – obwohl er keine Bezeichnung für »Mitleid« kannte -, die diese Steine gerade erst gefunden oder sie bisher versteckt gehalten hatten. Aber schließlich war es ihm egal …
Plötzlich ertönte ein Alarmschrei, so durchdringend, dass er viele Meilen weit zu hören war.
Eine Gefahr näherte sich übers Wasser – so interpretierten die Ouroungour auf dem Felsen der sechs Steindornen den Schrei: Dass es sich um eine Gefahr handelte, war aus der Aufregung herauszuhören, die der Rufer zweifellos empfand, und Gefahren kamen für gewöhnlich immer übers Wasser, denn seit dem Tod des Vogelungeheuers Ráabor hatten die Ouroungour keine Feinde mehr auf der Insel, die ihnen hätte gefährlich werden konnten.
Erneut ertönte der Schrei im Tonfall heller Panik. Mit einem Schlag erhoben sich all jene Ouroungour in die Lüfte, die ihre Steine bereits dem Schlund im Fels übergeben hatten. Binnen Sekunden waren mehrere hundert geflügelte Äfflinge in der Luft und umkreisten zunächst die Spitzen der sechs Felsdornen, dann stiegen sie weiter auf und konnten auf das Meer hinausblicken. Und tatsächlich warne dort Schiffe zu sehen.
Die Ouroungour wussten, worum es sich bei einem Schiff handelte. Zumindest wussten sie, dass von einem solchen Schiff eine Bedrohung für sie ausging. So gab es in ihrer unvollständigen, rudimentären Sprache sogar einen Begriff dafür.
Oou flog zusammen mit einer Gruppe anderer junger Ouroungour im Tiefflug über die Baumwipfel hinweg. Die Bäume in dieser Gegend hatten einen riesenhaften Wuchs, und ihre Blätter waren so groß, dass sich ein Ouroungour bequem darin einwickeln konnte, wenn es regnete. Es gab sogar Ouroungour, die diese Blätter mit sich herumschleppten und sie so lange als eine Art Umhang benutzten, bis sie anfingen zu faulen.
Die Ouroungour unter Oous Führung flatterten auf die Schiffe zu, die sich der Insel näherten. Da vernahmen sie auf einmal wieder die Stimme des Dunklen Herrschers. Er benutzte kaum Worte. Die brauchte er auch nicht, um
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