Elben Drachen Schatten
Cadd und Darii an der Küste der Südwestlande lagen bereits Hunderte von Kaperschiffen bereit, um jedes Schiff aufzubringen, das sich aufs Zwischenländische Meer wagte, sobald es zum Krieg kam, und damit wurden die Schifffahrtswege zur Hauptstadt des Elbenreichs zum Schlachtfeld.
Rhiagon hörte nicht nur, auch seine anderen Sinne waren sensibler geworden. Er roch die verschiedensten Gewürze, deren Duft sich mit dem salzigen Geruch des nahen Meeres mischte. Rhiagon musste sich selbst gegenüber eingestehen, dass er all diese Düfte und Gerüche früher nie in dieser Weise beachtet hatte; doch wahrscheinlich wäre ihm das auch nicht möglich gewesen, da sein Geruchsempfinden seit seinem Erblinden von Tag zu Tag feiner wurde.
Zumindest für einige Momente gelang es ihm, den Schmerz über den Verlust seines Augenlichts zu vergessen. Eine kleine Linderung des Grauens, das allein der Gedanke bei ihm verursachte, eine Ewigkeit lang in Dunkelheit leben zu müssen. Bisweilen hatte Rhiagon Albträume davon, in denen er in finstere Gewölbe eingeschlossen war, umgeben von riesigen Ratten, die sich auf magische Weise vollkommen lautlos zu bewegen vermochten und ihn nach Belieben anfielen, um Teile seines Fleisches aus seinem Körper zu reißen …
»Kommt her, werter Hauptmann!«, sprach ihn einer der Händler plötzlich an. Er hatte einen etwas zu einschmeichelnden, fast schmierigen Tonfall, sodass Rhiagon der Mann vom ersten Moment an nicht wirklich sympathisch war.
»Was wollt Ihr von einem Blinden? Und woher wisst Ihr, dass ich ein Hauptmann bin? Offenbar hat sich mein erbarmungswürdiges Schicksal schon überall herumgesprochen, und Ihr wollt mich jetzt entweder zu einem Opfer Eurer barmherzigen Fürsorge oder Eurer üblen Scherze machen, was mir gleichermaßen unangenehm ist.«
»Wenn Ihr einen Moment stehen bleibt, werde ich Euch Eure Fragen gern beantworten, denn Ihr irrt in jeder Eurer Annahmen.«
»So?«
»Mein Name ist Zerolas, und ich bin ein Händler aus dem fernen Norgua im Herzogtum Noram, falls Ihr wisst, wo sich das befindet. Falls nicht, wäre dies nicht verwunderlich, so weit ist es von Elbenhaven entfernt.«
»Ich war dabei, als Noram gegründet und Herzog Mirgamir in sein Amt erhoben wurde«, erklärte Rhiagon.
»Wie auch immer«, sagte Zerolas, »ich bin über die hiesigen Verhältnisse nicht besonders informiert, doch dass Ihr ein Hauptmann seid, habe ich an dem Ehrenzeichen erkannt, das an Eurem Wams angebracht ist. Das ist alles.«
Rhiagon betastete die Stelle an der Brust, an der dieses Zeichen normalerweise seinen Platz hatte – und tatsächlich, da war es, obwohl Rhiagon sicher war, es abgelegt zu haben. Offenbar irrte er in dieser Hinsicht.
»Nun gut«, sagte Rhiagon. »Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag, werter Zerolas.« Er wollte schon weitergehen.
Aber Zerolas fasste ihn am Arm. »Vorsicht! Da liegt die Hinterlassenschaft eines Straßenköters vor Euch!« Rhiagon blieb stehen, und Zerolas lachte auf. »Ich weiß, die Alten behaupten, dass es so etwas früher in einer Elbenstadt in Athranor nie gegeben habe, doch ich bezweifle, dass ihre Erinnerung sie da wirklich nicht trügt.«
»Was wollt Ihr noch?«, fragte Rhiagon und klang leicht ungehalten. »Mir etwas verkaufen?« Er mochte Zerolas nicht, und dass dieser ihn davor bewahrt hatte, in ein Hundeexkrement zu treten, setzte ihm noch viel mehr zu, hatte es ihn doch erneut an seine Behinderung erinnert. »Ich brauche nichts von dem Tand, den einer wie Ihr mir bieten könnte. Ich habe keinen Bedarf an nordbergischen Seehundfellen, die auf so dilettantische Weise gegerbt wurden, wie das in Berghaven nun leider mal der Tradition entspricht.«
»Abermals muss ich Euer Vorurteil korrigieren, Hauptmann. Im Allgemeinen pflege ich Dinge anzubieten, die meine Kundschaft sich insgeheim am meisten wünscht. Ich erfülle sehnlichste Wünsche …«, erklärte Zerolas und fügte leiser und im vertraulichem Tonfall hinzu: »… und könnte auch den Euren erfüllen!«
»Das steht kaum in Eurer Macht«, sagte Rhiagon kategorisch.
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Nicht einmal die größten Heiler Elbianas können mir das Augenlicht zurückgeben – doch genau dies ist mein sehnlichster Wunsch. Wie solltet Ihr mir den erfüllen können, hm?«
»Es gibt einen genialen Erfinder in Berghaven, dessen Talent und Geistesgaben wohl nur mit denen des Thamandor vergleichbar sind«, entgegnete Zerolas. »Übrigens arbeitete dieser Erfinder einst
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