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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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mit angehört hatte, die in einem anderen Raum, ja, in einem ganz anderen Teil der Burg geführt worden waren? Gespräche, die eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt waren? Als Heilerin wusste Nathranwen, dass die Zeit, die eine solche Anpassung und Neugewichtung der Sinne in Anspruch nahm, bei jedem Elben verschieden war. In den Überlieferungen der Heilerzunft wurde von Fällen berichtet, in denen dies sogar innerhalb wenige Tage geschehen war, auf eine so radikale Weise, dass man es kaum für möglich halten mochte, obwohl die Betreffenden nur die Unterstützung ganz gewöhnlicher Elbenmagie in Anspruch genommen hatten. Mit anderen Worten: Sie hatten keine besonderen Hilfsmittel verwendet, auch keine Schwarze Magie benutzt oder die Namenlosen Götter angerufen, die sich in der Alten Zeit noch um die Schicksale der Sterblichen gekümmert hatten.
    »Wie kommt Ihr zu Eurer Auffassung hinsichtlich der Königin?«, fragte Nathranwen mit spürbarer Zurückhaltung. Dennoch - es interessierte sie schon, wie viel von den bedrückenden Gedanken, die Königin Ruwen beherrschten, vielleicht bereits nach außen gedrungen war. In Zeiten, da das Elbenreich um seine Existenz fürchten musste, brauchte das Volk Hoffnung, nicht eine Königin, die in Schwermut versank. Dass die Fälle von Lebensüberdruss wieder zugenommen hatten, war kein Zufall.
    »Ich habe sie kürzlich auf einem der Türme getroffen«, erzählte der blinde Rhiagon. »Wenngleich ich nicht glaube, dass sie unter Lebensüberdruss leidet und tatsächlich mit dem Gedanken spielte, sich in die Tiefe zu stürzen, so hatte ich doch den Eindruck, dass sie schwer bedrückt war. Nun, ich konnte es nicht sehen, aber ihr Herzschlag war deutlich erhöht, und sie atmete tief und hektisch; jedes Luftholen glich einem kleinen Seufzer. Ich weiß nicht, welche unsichtbaren Geister ihr so zusetzen; sie ist immerhin die Königin, und so gebot es mir der Respekt, sie nicht darauf anzusprechen.«
    »Ich verstehe«, murmelte Nathranwen. »Ich bitte Euch um eins: Schweigt darüber.«
    Rhiagon verstand natürlich sofort, was der Hintergrund dieser Bitte war. »Ich verspreche es Euch, werte Nathranwen.«
    Sie senkte den Kopf zum Zeichen der Dankbarkeit, dann empfahl sie ihm: »Vielleicht solltet Ihr mehr unter Leute gehen, werter Rhiagon. Es würde Eurer Seele guttun, und Ihr würdet die Euch verbliebenen Sinne durch Übung schärfen.«
    »Ihr scheint Euren Text von Eurem Kollegen Eónatorn erhalten zu haben«, meinte Rhiagon, und er zwang ein Lächeln auf seine verkniffenen Lippen – ein Lächeln, das völlig freudlos war.
    Nathranwen ließ den Blick über die Zinnen hinweg in die Ferne schweifen. »Nein, Ihr irrt. Es war eine plötzliche Eingebung, als ich das Treiben auf dem Marktplatz sah. Ihr sagtet doch, dass Ihr Euch innerhalb der Stadtmauern Elbenhavens sicher zu bewegen vermögt.«
    »Gewiss, aber …« Er verstummte.
    »Es war nur ein Vorschlag. In Eurer Leben wollte ich mich gewiss nicht mischen, werter Rhiagon.«
    Nathranwen verabschiedete sich von ihm und ging. Rhiagon blieb noch eine ganze Weile allein oben auf dem Turm. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Gedanken, die viel zu diffus waren, um sie in Worte zu fassen. Schließlich gab sich der erblindete Hauptmann doch einen Ruck und beschloss, sich auf dem Markt etwas umzusehen. Immerhin regte das Treiben dort sein Gehör in einer besonderen Weise an, und wenn er den deprimierenden Gedanken in den Hintergrund drängte, all diese Pracht und diesen Überfluss nicht sehen zu können, wäre es vielleicht ganz interessant, was es dort zu hören gab.
    Tausende von Stimmen bildeten einen chaotischen Chor. Es waren zumeist die Stimmen von elbischen Händlern und Kunden, aber auch die von tagoräischen Geschäftsleuten waren zu hören, die mit ihren Schiffen noch immer – wenn auch in geringer gewordener Frequenz – Elbenhaven ansteuerten, um dort ihre Waren feilzubieten.
    Elben ließen sich beim Handeln Zeit, und sie brauchten manchmal sehr lange, um sich für etwas zu entscheiden. Für die menschlichen Tagoräer war das ebenso eine Geduldsprobe wie für die wenigen Rhagar, die aus dem Seekönigreich von Ashkor und Terdos den weiten Weg an die elbianitische Küste auf sich genommen hatten, obwohl ihnen klar war, dass ein offener Ausbruch des Krieges zwischen dem Magolasischen und dem Elbenreich, der ja ohnehin schon im Hintergrund schwelte, ihren Geschäften ein jähes Ende bereiten würde. In den Häfen von Aratania,

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