Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
Sie wird dir helfen und Rat
erteilen, wenn du darum bittest.
G espannt wie ein Flitzebogen,
zugegeben auch hochgradig nervös, marschierte ich zur S-Bahn. Eine Elbe? Wie
im Märchen! Reichlich verspätet startete mein Verstand noch den kurzen
Versuch, eine rationale Erklärung abzuliefern. Demnach musste ich seit Wochen –
wahrscheinlich nach dem Sturz von Joschs XXL-Leiter – im Koma liegen und
ungebremst vor mich hin spinnen. Wie die Elbe wohl aussieht? machte
meine Fantasie kurzen Prozess. Die Fahrt zum Gartenhaus dauerte diesmal gefühlt
ewig, unruhig rutschte ich auf meinem Sitz herum. Mehr schlitternd als gehend
hastete ich das letzte Stück über vereiste Wege bis zum Gartentor. Mein neuer
Nachbar schien verreist zu sein, unberührter Neuschnee lag vor seinem Haus wie
auf dem Weg zum Gartenhaus. Die geräumten Treppenstufen vor dem Eingang fielen
daher sofort ins Auge. Den Geheimcode für die Alarmanlage hatte mein frisch
durchgestyltes Gehirn zuhause sofort abgespeichert. Eine höchst brauchbare
Entwicklung für meinen zerstreuten Kopf, so ein fotografisches Gedächtnis.
Leise schloss ich die Tür auf – und traute meinen
Augen nicht. Der Flur ist bereits eingerichtet! Gläserne Bodenvasen mit
Rosen darin, die ihren sanften Duft verströmten, standen rechts und links der
Freitreppe. Dann erblickte ich sie. Elin. Ein weiß leuchtendes Lichtwesen, halb
menschlich und halb gespenstisch anmutend. Ihre grazilen Bewegungen ließen
schwache Blautöne über das lange weiße Gewand gleiten. Etwas kleiner als ich,
wirkte sie zart, fast zerbrechlich unter ihren üppig langen Haaren. Im krassen
Kontrast dazu baumelte ein silbernes Schwert an ihrer Hüfte. Blassblaue, seltsame
Augen betrachteten mich ernst. Dann erklang Elins Stimme in meinem Kopf,
ähnlich melodisch denen der Sternelben.
Ich grüße dich, Lilia,
willkommen in deinem Heim.
Etwas unsicher, ob meine
Gedanken von ihr ebenso gehört würden, versuchte ich: Hallo, Elin, ich freue
mich, dich kennen zu lernen.
Sie lächelte bestätigend.
Plötzlich überwältigte mich
eine fremde, völlig unbekannte Empfindung. Als ob ein Wimpernschlag zwei Teile
zusammengefügt hätte, fühlte es sich wie die Rückkehr eines verloren geglaubten
Zwillings an.
Elin nickte. Ein Teil
deiner Seele, in dem sich das Vermächtnis der Elben befindet, ist erwacht und
erkennt mich. Das ist ein gutes Zeichen. Komm nun, alles ist
bereit. Sieh selbst, ob es deinen Wünschen entspricht.
Binnen weniger Minuten
kapitulierte ich jedoch und ließ mich auf einen Küchenstuhl fallen. Das war
einfach zu viel. Mein Inneres gab sich heftig aufgewühlt, eine Dosis, die
bereits völlig ausgereicht hätte. Obendrein befanden sich im Haus offensichtlich
nicht ausschließlich neue Möbel. Um mich herum standen, lagen und hingen Dinge
aus meiner Küche, da war ich mir sicher. Und im Wintergarten standen eindeutig
meine Zimmerpflanzen. Großes Fragezeichen.
Elin trug ein Teetablett herüber, ja, mit
meinem heiß geliebten blauen Teeservice. Ich schloss die Augen und genoss das
beruhigende Getränk. Gerade als ich Elin fragen wollte, wie meine Sachen
hierher gekommen waren, erklang ihre Stimme.
Ich kann über Gegenstände
wirken. Die Elbe lächelte abermals. So musst du nicht mehr
umkehren.
Aber ich kann es auch nie
mehr, dachte ich mit einem Anflug von Panik. Und so viel
Aufwand, bloß damit die Menschen ein paar Nachrichten von ihnen erhalten?
Nachdem die Teekanne keinen
Tropfen mehr hergab, wollte ich den Tisch abräumen. Elin erschien.
Lass mich das machen.
Aber nein, du bist doch
nicht meine Dienerin, wehrte ich entgeistert ab.
Es verursacht keinerlei
Mühe. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung ihrer Hände verschwand
das Teeservice. Ich war platt!
„Das ist doch mal eine echt
praktische Fähigkeit“, platzte ich laut heraus. Entschuldige.
Die Elbe bedachte mich mit
einem unergründlichen Blick. Eindeutig war ein heißes, entspannendes Schaumbad
überfällig. Im Hinausgehen wagte ich noch einen kurzen Blick in den riesigen
Kühlschrank. Voll bis oben hin mit Leckereien.
W eiß und blau.
Mitternachtsblau, azurblau, blaugrün, blaugrau, aber keine hellblaue Kleidung.
Das wäre auch wirklich das Letzte. Der begehbare
Kleiderschrank enthielt keineswegs meine alten übergroßen Klamotten, sondern
wunderschöne neue Hosen, Pullover und Unmengen weiterer Sachen. Wieso
Kleider? Trage ich doch nie. Weiß und blau, hmmh. Da kein Kommentar in
meinem Kopf erklang, musste ich halt später
Weitere Kostenlose Bücher