Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
nachfragen. Mangels Pyjamas
schlüpfte ich in ein langes Nachthemd aus weißer Seide und ging hinunter in die
Küche.
Keine Spur von Elin, inzwischen herrschte
draußen Dunkelheit. Vom Esstisch her duftete es verführerisch nach
Tomatensuppe, meiner Leibspeise. Ein Salatteller und ein Schälchen mit Zitronencreme
ergaben mein köstliches Abendessen. Woher weiß die Elbe all diese Dinge über
mich? fragte eine besorgte innere Stimme auf dem Weg ins Schlafzimmer. Hier
fehlen aber noch Vorhänge oder Rollos an den Fenstern. Ach nein, sie
wollen ja bestimmt wachen . Und damit schlief ich ein.
Aus dem Buch „Inghean“
Ahnt der schwarze Fürst die bevorstehende
Rückkehr seiner ärgsten Feindin? Seine Sklaven kriechen durch die nächtlichen
Straßen. Mir scheint, es werden immer mehr.
Kapitel 4
E inige Tage später befand
sich mein Innenleben, soweit möglich, wieder im Gleichgewicht. Das Wetter
tendierte in den letzten Februartagen zu matschiggrau. Hoffentlich kam bald der
Frühling. Jedenfalls wollte ich an diesem Tag unbedingt Santa Christiana
besuchen, die Kirche fehlte mir seltsamerweise. Seit gestern stand ein funkelnagelneuer
Kleinwagen in der Garage, die Sternelben wollten es so. Allerdings verspürte
ich keine Lust, damit durch die Stadt zu fahren. Ein eigenes Auto hatte ich nie
zuvor besessen. Wozu sollte man sowas in Berlin auch benötigen, außer um unnötig
viel Zeit im Stau vertrödeln? Auf dem Weg zur S-Bahn ging ich im Kopf den
Fragenberg durch, der sich zwischenzeitlich dank unserer stillschweigend
vollzogenen Kommunikationspause angesammelt hatte.
Die Kirchentür stand offen, drinnen sah der
Priester nach dem Rechten.
„Hallo, Pater Raimund“,
grüßte ich ihn.
„Hallo, Lilia! Wie geht es
Ihnen?“
„Gut, zumindest wenn Sie
mich nicht rausschmeißen“, erwiderte ich keck.
„Um Himmels Willen, warum
sollte ich.“ Er zögerte. „Hätten Sie später vielleicht Lust auf einen Kaffee,
wenn Sie in der Kirche genug gefroren haben?“
Sag zu , riet
elbischer Gesang.
„Gute Idee. Aber noch lieber
auf Tee.“
Das Licht umarmte mich,
während ich mit geschlossenen Augen horchte. Die Sternelben sangen mir ein Lied
über die Abenteuer der Elben vor und erinnerten mich auf diese Weise an meine
Aufgabe. In den vergangenen Tagen hatte ich keinen einzigen Gedanken daran
verschwendet. Ich bekam ein ordentlich schlechtes Gewissen.
Bitte sagt mir, was ich für
euch tun kann.
Erfreut gaben sie Auskunft: Lilia,
um das Tun und Lassen der Menschen begreifen zu können, musst du ihre Gefühle
und Empfindungen verstehen, ihre Seelen hören lernen.
Statt einer Antwort schickte
ich ausgiebiges Seufzen gen Himmel. Die alte Abneigung gegen Kontakte zu meinen
Mitmenschen meldete sich. Tatsächlich hielt ich mich bei dieser Aufgabe für die
ungeeignetste Person in ganz Berlin. Mit großem Ernst riefen sie mich zur
Ordnung und erinnerten an meine tiefgreifenden Veränderungen.
Dir fehlt lediglich
Selbstvertrauen.
Dann bitte ich euch darum,
sonst werdet ihr nur weiter enttäuscht.
Sie schienen besänftigt.
Also fragte ich, wie das Lernen am besten funktionieren würde – und beantwortete
die dumme Frage gleich selbst: Unter Menschen gehen, natürlich.
Die Sternelben summten
amüsiert.
Du kannst nachher bei Pater
Raimund üben.
Oh ja, das dürfte für einen
ersten Versuch nicht allzu schwierig werden, stimmte ich
erleichtert zu.
Eine andere Geschichte
brannte mir unter den Nägeln. Ist Elin ganz allein hier?
Traurig erklangen ihre
Stimmen. Die wenigen verbliebenen Elben haben sich vor ewigen Zeiten auf
eurer Erde verteilt. Sie wachen seither einsam und unsichtbar über das Böse, so
gut sie es vermögen. Ihr Opfer ist unermesslich für euch.
Mein Herz verkrampfte sich
bei dieser ungeheuerlichen Vorstellung, bis mir Tränen über das Gesicht liefen.
Doch bald schon würde ich mich mit grenzenlosem Zorn an ihre Antwort erinnern.
Eine weitere, nagende Frage bohrte sich hervor, obwohl ich ihre Antwort
fürchtete: Bin ich auch allein oder konnten andere Menschen ebenfalls
das Buch lesen?
Du bist allein. Nur weil
sich das Erbe deiner Elbenahne in dir erhalten hat, erkannte dich das Buch. Wir
haben lange auf dich gewartet .
Ich richtete mich abrupt
auf. Ihr wusstet, dass das passieren würde?
Die Macht des Lichtes reicht
weit.
Aber es schützte mich nicht
vor Einsamkeit. Allein unter Millionen Menschen! Todtraurig dachte ich an
meine alten Freunde Peps, Emi, Phil und Suse. Wie es ihnen wohl
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