Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
„Nun
ja, ich wette, Sie erhalten von Ihrer Wurzel jene Antworten, die mir von meinem
Gott verwehrt werden.“
Beinahe hätte ich ihn laut
gefragt, was er denn würde wissen wollen. Sie stoppten mich im letzten Moment:
Genug, Lilia, ihr solltet
das Thema bei anderer Gelegenheit weiter besprechen.
Pater Raimund ließ sich auf
meinen abrupt vollführten Themenwechsel bereitwillig ein. Wir plauderten über
die historisch äußerst wertvolle, leider hoffnungslos defekte Orgel mit ihrem
einzigartigen Klang.
Darf ich?
Bedenke dabei bitte, dass du
die Kirche oft für dich allein benötigst, mahnten sie.
Da lässt sich bestimmt eine
Lösung finden, vielleicht könnten die Orgelbauer zu festgelegten Uhrzeiten in
der Kirche arbeiten.
Langsam sollte ich den
Heimweg antreten, wenn ich noch in die Bank wollte. Wir verabschiedeten
einander und ich versprach, bei nächster Gelegenheit wieder vorbei zu schauen.
Wer von uns beiden hatte an diesem Tag mehr Stoff zum Nachdenken bekommen?
Bevor ich mich daheim in die Badewanne sinken
ließ, schaute ich in den Spiegel. Warum hatte der Priester derart geschockt auf
meine Augen reagiert? Mich näher zum Spiegel beugend, bemerkte ich die
Veränderung. Die blauen Augen wirkten alt. Nicht trüb wie bei alten Menschen,
vielmehr wie durchdrungen von tiefen Erinnerungen und Lehren der Weisheit. Der
Kontrast zu meinem jungen Gesicht konnte kaum größer ausfallen. Kein Mensch
besaß einen solchen Blick. Elin, ja, ähnlich den Augen der Elbe. Die
Sternelben hatten Recht, ich sollte mit ihr reden, vielleicht fanden wir doch
einige Gemeinsamkeiten. Aber für heute war mein Limit erreicht. Schluss,
aus, Bett.
E in opulentes Frühstück
erwartete mich bereits auf dem Küchentisch: Croissant, Zimtquark mit frischem
Obst, Crêpe, Orangensaft und eine Kanne starker schwarzer Tee. Nach dem Bad am
gestrigen Abend war ich so erschöpft gewesen, dass das Abendessen schlicht in
Vergessenheit geriet. Heißhungrig verspeiste ich nun die Mahlzeit bis zum
letzten Krümel.
Bei einer weiteren Tasse Tee
überlegte ich, wo Elin wohl steckte. Prompt erschien ihr Kopf in der Tür zum
Wintergarten. Ich habe mich um deine Pflanzen gekümmert.
Aber die können seit meinem
gestrigen Gießen doch unmöglich schon ausgetrocknet sein.
Ihr ganzes Tun schüchterte
mich ein. Um die Wahrheit zu sagen, ich begriff von all dem gar nichts. Vielleicht
der springende Punkt zwischen uns. Allerhöchste Zeit für Elbenunterricht, mahnte mein Gewissen. Bitte, Elin, erzähle mir von dir und den Elben. Na
also, der Anfang war geschafft.
Weißt du, warum deine
Kleidung in weiß und blau gehalten ist?
Wie freundlich von ihr, sie
erinnerte mich an eine weitere ungeklärte Frage. Da müsste ich raten, gab ich zu. Vielleicht weiß für die Reinheit und blau, hmmh, blau für den
Himmel. Nein, weiß für das Licht.
Beides, Reinheit und Licht,
und richtig, Blau steht für das Firmament, bestätigtesie.
Aber was spricht gegen die
anderen Farben, begehrte ich zu wissen.
Überleg selbst, forderte sie mich auf.
Okay, schwarz ist finster
und deshalb gestrichen, rot gilt als aggressiv, braun finde ich schrecklich.
Was ist mit grün?
Ganz einfach, es passt nicht
zu deinen Augen, schmunzelte Elin.
Langsam entspannte ich mich,
zudem bereitete mir unser Kopfgespräch kaum mehr Mühe.
Aber im Ernst, fügte sie an, sollen die gewählten Farben dein Schicksal symbolisieren. Du
stammst von uns ab, dein Weg wird für sämtliche Elben von größter Bedeutung
sein.
Ich spürte, zu diesem Punkt
würde sie nicht mehr sagen. Der Fragenberg wächst grundsätzlich schneller
als das Häuflein magerer Antworten, stellte ich zum x-ten Mal frustriert
fest.
Geduld, Lilia, immer nur so
viel, wie es deinen Fortschritten entspricht.
Bin ich dermaßen langsam? Schnelligkeit gehörte eben nie zu meinen herausragenden Eigenschaften.
Keineswegs, wenn du deine
eigenen Stolpersteine aus dem Weg räumst, lernst du hervorragend.
Nebenbei „organisierte“ sie
frischen Tee. Ein guter Übergang für die nächste offene Frage, bei der ich mir
allerdings reichlich albern vorkam. Tust du etwas Ähnliches wie Magie, so
wie Zauberei im Märchen?
Daran ist gar nichts
Geheimnisvolles, du siehst lediglich die Macht des Lichts.
Ihre Antwort klang so
lapidar, als hätte ich nach ihrem neuen Strickmuster gefragt.
Heißt das, ich kann auch …
wie nennst du es?
Dafür existiert keine
Entsprechung in eurer Sprache, doch die Menschen nannten unsere Fähigkeiten
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