Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
ohnehin
niemand, erwiderte Leya barsch. Sanfter fügte sie hinzu: Wie
dem auch sei, wenn die Kleine es möchte, behalte ich sie erst einmal hier.
D ie nachfolgenden Tage
verbrachte ich zur Hälfte schlafend. In der übrigen Zeit verfrachtete mich die
Elbe in einen Gartensessel mit der stets wiederholten Anweisung: „Atmen,
riechen, schauen und genießen.“ Ja, sie sprach mit mir tatsächlich unelbisch
laut.
Das Feenhaus befand sich mitsamt großzügigem
Garten unter einer gewaltigen magischen Glocke. Wie in einer Schneekugel,
allerdings einer frühsommerlichen. Leya erklärte achselzuckend, wenn schon
Bannwall, dann zum Trost mit ihrer liebsten Jahreszeit als Dauervergnügen. In
der warmen Sonne summten Bienen, Vögel zwitscherten in dem üppig blühenden
Miniparadies.
Manchmal pirschte die Elbe
mit einem Stock umher.
„Was treibst du da
eigentlich?“
Verlegen wand sie sich: „Als
ich Igel gegen eine Schneckenplage in meinem Garten hinzufügen wollte, sind
Gnome mit reingerutscht. Die werde ich nicht wieder los.“
Ich prustete los. „Gnome? Das
sind doch Märchenwesen!“
„Ja, eben. Ich muss mit
meinen Gedanken wohl nicht ganz bei der Sache gewesen sein.“ Das schien ihr
richtig peinlich.
„Und dagegen existiert kein
Mittel?“
Sie streckte mir den Stock
hin. „Doch. Wenn ich es schaffe, die flinken Biester mit Rosenholz zu berühren,
platzen sie.“
Mir vor Lachen den Bauch
haltend, musste ich die naheliegende Frage stellen: „Wieso schickst du die
Gnome nicht einfach zurück?“
„Sehr komisch. Vielleicht
weiß ich nicht, aus welchem Märchen die entwischt sind!“
Verschnupft zog Leya von
dannen. Gnome, Feen, Riesen und all solche Kreaturen kamen in unzähligen
Märchen vor. Also müsste man sie doch irgendwo einschmuggeln können, überlegte ich. „Leya, hast du ein Märchenbuch?“
Sie brummelte irgendwas von
„keine Dummheiten machen“ und brachte ein großes, dickes, zerfleddertes
Exemplar. Leyas heimliche Leidenschaft galt nämlich Märchen und Sagen.
Eifrig las ich und wurde
nach knapp einer Viertelstunde fündig.
„Leya, komm mal!“
Mit gespieltem Murren stand
sie vor mir. Erst drückte ich sie in den Korbstuhl, dann das Buch in ihre
Hände.
„Lesen.“
Nach zehn Minuten schaute
sie verwirrt auf. „Und?“
„Na, pack die Gnome da
rein“, ahmte ich ihre hemdsärmelige Art nach. Erleuchtung!
„Du bist ja ein richtig
ausgebufftes Schätzchen!“
Zur Belohnung bekam ich ein
großzügiges Stück von ihrem Spezialkuchen.
S ämtliche Ereignisse vor
meiner Ankunft im Feenhaus schienen allmählich verblassende Albträume zu sein.
Und ich besaß null Interesse, daran zu rühren. Leya stellte keine Fragen. Sie
erfuhr von Elin, die ab und zu vorbeischaute, ohne mit mir zu sprechen,
sicherlich genug. So bekam ich in dieser künstlichen Idylle auch keine
Gewissensbisse, Elin, Katja und all die anderen einfach im Stich zu lassen.
Logisch, dass dieses egoistische Amüsement nicht lange gutgehen konnte.
Der Paukenschlag kam über Nacht. Die Elbenfürstin
erwachte in mir und offenbarte zum ersten Mal eine Traumbotschaft:
In der Industrieruine lauern tiefe Schatten
und darin das Grauen. Hier fühlen sich Dämonen verdammt wohl. Elin und ich erkunden
vorsichtig eine morbide Halle. Gerümpel bedeckt den Boden, durch das fehlende
Dach in schwindelerregender Höhe sickert die Nacht ein. Wir wissen nicht, wieviele
Dämonen uns erwarten.
Warum greifen die Ungeheuer
nicht an?
Möglich, dass sie versuchen
werden, uns zu umzingeln. Wir sollten besser draußen warten, beschließt
die Elbe.
Zu spät. In der nächsten
Sekunde erfolgt der Angriff. Auseinander stürmend suchen wir Deckung an den
Mauern. Weiße und schwarze Blitze, tödliche Peitschen und Würgeringe
durchpflügen den Kampfplatz. Mehrere Treffer verschaffen uns ein wenig Zeit.
Plötzlich Totenstille. Verwirrt sehe ich mich um, sehe ihn. Gleichzeitig
stürmen zwei Dämonen auf mich ein, der Dämonfürst aber wendet sich Elin zu. Nein! Mich in eine rotierende Lichtsäule verwandelnd, zerfetze ich in glühendem Zorn
das erste Monster. Der zweite Dämon erlischt durch einen gewaltigen
Peitschenschlag. Wo ist Elin? Eine Hand voll Wimpernschläge bis zum Tod.
Ihr sich auflösender Körper
liegt im Dreck, der schwarze Fürst ist fort. Bevor Elin die Erde endgültig
verlassen würde, erscheint sie ein letztes Mal in meinem Geist. Fürstentochter,
deine ewige Dienerin. Sie verneigt sich und schwindet.
„Eliiin!“
Schreiend fuhr
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