Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
ich aus dem
Albtraum hoch. Beide Elben erschienen an meinem Bett. Schluchzend wiederholte
ich ihren Namen, schlug die Hände vor das Gesicht. Zwecklos.
Wusstest du, dass dies
geschehen wird, Schwester?
Elin verneinte starr vor
ungläubigem Entsetzen. Die Zeit meines Sehens begann mit erbarmungsloser Härte
und eiskalter Klarheit.
Aus dem Buch „Inghean“
Die Fürstin hat ein Zeichen gesetzt. Warum nur
wählte sie diesen Weg?
S chweren
Herzens nahm ich Abschied von Leyas kleinem Paradies. „Wirst du uns helfen,
Leya?“
„Wie denn? Mit heißer
Schokolade und Kuchen etwa?“ mahnte sie sarkastisch den Sachstand an.
Ich schaute ihr in die Augen
und verkündete zweifelsfrei: „Der Bann wird bald gebrochen.“
Sie japste nach Luft. Doch
ohne eine weitere Erklärung verließ ich ihr Zauberland.
Mein Zuhause hatte für mich jede Bedeutung
verloren. Gefühle gehörten der Vergangenheit an, seit ich den Bannwall des
Feenhauses überschritt. Die Anwesenheit der Sternelben nahm ich nüchtern und
distanziert zur Kenntnis. Sie sangen nicht mehr. Irgendwie funktionierte ich – mechanisch.
Lilia, bevor du wieder unter
Menschen gehst, musst du lernen, deine sehenden Augen zu verschließen. Sie
werden deinen Anblick fürchten, beschwor mich Elin.
Wollte ich unter Menschen
gehen? Nein, aber ich musste! Ja, du hast recht, lehre es mich.
Sie suchte mich
aufzumuntern, indem sie von dem Chaos im Dämonenheer berichtete: Durch
deinen Racheengel wurden sie verunsichert, dabei trauen sie einander sowieso
kaum über den Weg. Nun verstricken sie sich in mörderischen Ränkespielen.
Haben sie schon ein
Fahndungsplakat für mich entworfen? fragte ich lahm dazwischen.
Lilia, die Mehrzahl der
Dämonen ist strohdumm, reine Kampfmaschinen, die auf Befehle hören. Lediglich
ein enger Zirkel, der den Dämonfürsten umgarnt, begreift überhaupt die
Vorgänge. Aber es stimmt, ein Teil ihrer Aufmerksamkeit richtet sich auf dich.
Na, dann werde ich mal ein
bisschen nachlegen. Apropos, sag Bescheid, wenn ich dich nachts begleiten soll.
Elin überlegte . Ich
denke, das kann noch warten. Konzentriere dich derweil auf die Nöte der Menschen.
Unser Gesprächston
unterschied sich in nichts von, sagen wir, zwei Gärtnern, die gerade die Jätarbeiten
unter sich aufteilen.
Die Elbe grämte sich
deswegen und schob scheinbar zusammenhanglos nach: In einer Woche ist
Weihnachten.
Wie?
Mein Gehirn stolperte über
den Begriff, suchte danach mit Kreuz- und Querschaltungen und spuckte
schlussendlich ein Emotionspaket aus. Autsch! Beide Hände umklammerten
krampfhaft die Tischkante, während kindliche Glückseligkeit einer heilen Welt
aus Weihnachtsbaum und Kerzenschein, noch beschützt vom Opa, daraus hervor
flutete.
Was soll ich denn damit?
Du könntest Freunde einladen
und ein Fest geben.
Ich brauchte dringend
frische Luft und schritt barfuß die Stufen vor dem Haus hinunter in den Schnee. Kalte Fliesen unter den Füßen, erinnerte mein Gedächtnis.
Als ich mich nach einer
Weile umdrehte und das nackte Haus betrachtete, ließ mich sein Anblick
frösteln. Wo bin ich in mir? fragte mein Verstand wohl zum hundertsten
Mal. Warum liebe ich das Leben nicht umso mehr, wo die Gefahr stetig wächst? Eiskalt berechnend warf mein Alter Ego dazwischen: Was ist der
Unterschied zwischen einer Elbe und einem Dämon? Damit brachte er zwangsläufig
wieder die, aus meiner Sicht, grundlose Lüge der Lichtwesen aufs Tapet. Nimm
den geraden Weg, frag sie, und zwar noch heute.
Kapitel 15
„I ch glaubte dich schon
verschollen. Geht es dir gut?“
„Ja doch, sicher. Und bei
dir alles okay?“ fragte ich Raimund aus purer Nettigkeit.
„Bestens, die Orgel ist
pünktlich zu Weihnachten fertig geworden.“
„Komm, wenn du ein wenig
Zeit erübrigen kannst, wollen wir sehen, wie sie klingt.“
„Leider bin ich kein
Organist, Lilia, für die Weihnachtstage konnten wir nur noch eine zwar willige,
doch recht unerfahrene Schülerin finden.“
Kurzerhand zog ich ihn mit
hinein, setzte ihn auf eine Bank und strebte zu der Treppe, die auf die Orgelempore
führte. Oben angelangt, floss meine Konzentration zu dem Instrument mit seiner
Registratur, den Tasten und Pedalen. Auf die Schnelle fiel mir nur eine
Komposition ein, die diesem ersehnten Augenblick gerecht würde: Johann Sebastian
Bachs „Toccata und Fuge in D-Moll“.
Als klarer, schallender
Lockruf entwichen den ersten Pfeifen kraftvolle Töne, sie erfüllten den Kirchenraum
mit erschauernder
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