Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
dem Essen.
Du hast sie ins Kreuzverhör
genommen, merkte Elin ernst an, während ich eine Schüssel voll
Salat bearbeitete.
Nun, wenn du es so nennen
willst. Jedenfalls ist die Zeit ihrer Winkelzüge und Märchenstunden vorbei – hoffe
ich. Sie wissen, dass ich ihr Handeln gründlich hinterfrage. Und ebenso, dass
ich sie im Stich lassen werde, wenn die Karten ab sofort nicht offen auf dem
Tisch liegen. Egal, wie hoch mein Preis dafür sein sollte.
Die Elbe erschrak über meine
Worte. Lilia, verkenne nicht ihre Macht!
Nein, im Gegenteil, die
Macht der Sternelben versagt auf der Erde. Wir drei allein balancieren hier in
der Stadt auf dem Schicksalsseil.
Wir drei?
Ja. Leya, du und ich.
Elin guckte komisch.
Was ist?
Ich dachte gerade an das
naive Mädchen vor nicht einmal einem Jahr. Aus meiner Schülerin ist meine
Meisterin hervorgegangen.
Ach, hör auf! Du bist
Jahrhunderte ohne mich zurechtgekommen und brauchst weder Ausbildung noch Rat.
Sei dir da nicht so sicher,
sehende Schwester. Sie erhob sich. Die Arbeit ruft.
Gib auf dich acht, Elin.
Nach vollendeter Mahlzeit zauberte ich, wie angekündigt,
die Innendekoration. Frisches Tannengrün, rote und weiße Weihachssterne,
Dufthölzer, Kerzen in jeder Größe, was immer das Sortiment an plastikfreien
Zutaten hergab. Zur Belohnung winkte ein Schaumbad. Anschließend machte ich
mich, eingekuschelt in meinen Bademantel, über Katjas aufgestaute Liste
unerledigter Fälle her. Fehlte zum Schluss noch ihre zusammengefasste Mordsliste
für den kommenden Tag. Dieses Instrument entspannte die Lage zwischen mir,
Katja und dem Team deutlich. In meinem Geist hörte ich sie über den
unerwarteten Email-Fund gleichzeitig lachen und weinen.
Die Nacht schritt voran. Ich rief die
Sternelben.
Wenn ich in diesem Augenblick
wissen möchte, wo in der Stadt üble Machenschaften vor sich gehen, wie stelle
ich das an?
Dies ist dir unmöglich. Das
Sehen all der Gewalt und Not zugleich würde dich in den Wahnsinn treiben. Hüte
dich!
Und die Alternative? maulte ich ob der neuerlichen Einschränkung.
Du bekommst das Wissen von
uns, wie gehabt.
Autonomie ging anders.
Euer Rapport, bitteschön.
D ie alljährlich
wiederkehrende Häufung von Diebstählen und Einbrüchen in der Vorweihnachtszeit
produzierte aggressive Anspannung bei Dieben wie Ladenbesitzern. Sicher, dass
der Inhaber eines Elektronikgeschäfts nach zwei unbezahlten Totalräumungen seinem
Ruin nicht länger tatenlos zusehen wollte, war durchaus verständlich. Aber dass
er deswegen mit Pistole und Schlafsack in seinem Laden nächtigte, nun ja.
Jedenfalls besaß der Einbrecher, der den Auftrag zur neuerlichen „Räumung“
ausführen sollte, ebenfalls eine Knarre. Mein Job, ganz klar: Blutvergießen
verhindern, Täter festnageln.
Leider stellte sich der Inhaber
als das größere Problem heraus. Ein ausgegorener Macho mit Phobie gegenüber
Frauen, nur den intelligenten, versteht sich. Um vor dem Einbruch mit diesem
Idioten rechtzeitig in die Pötte zu kommen, mussten unverschleierter
Augenkontakt sowie Leuchteinsatz nachhelfen. Äußerst knappe zehn Minuten später
lagen Einbrecher und Inhaber friedlich nebeneinander.
Bis zum Morgengrauen sammelten sich vier
unberechenbare Kriminelle, zwei vor dem Erfrieren gerettete Obdachlose, eine
Selbstmörderin und ein im Pyjama umherirrender Rentner mit Alzheimer.
Millionenstädte kennen keine Pause.
Hinterher saß ich am Küchentisch und ließ
nacheinander sieben verschiedene Weihnachtskarten antanzen, bis die Letzte
endlich meine Gnade zur Vervielfältigung fand. Ich zählte durch: Raimund, Katja
und Konny, Jan und John, Jay und Schorsch. Jede Einladung enthielt ein fett
unterstrichenes Geschenk-Mitbringverbot, den Spaß wollte ich exklusiv für mich.
Als die Elbe kurz
auftauchte, dämmerte mir die Kehrseite des Festes. Aber, Elin, was machst du
denn dann an Weihachten?
Oh, ich habe mich in Leyas
Sommerparadies eingeladen.
Befreit lachend war ich
einen Augenblick versucht, ihr die Schote mit den Gnomen zu erzählen. Nein, das
wollte ich Leya nicht antun.
Du kannst ihr mein
Weihnachtsgeschenk überbringen.
Was denn?
Ihr Bann wird in der
Neujahrsnacht aufgehoben.
Sie staunte nicht schlecht. Ja,
ja, von wegen keine Meisterin, murmelte sie im Entschwinden. Dann fiel ihr
noch etwas ein und sie sandte folgende Botschaft: Die Dämonen ziehen sich
jedes Jahr zu Heiligabend zurück, sie hassen das pausenlose Glockengeläut. Erst
nach Neujahr endet die himmlische
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