Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
verwirrten, der sie zu lange betrachtete, und ihn in den Wahnsinn trieben. Mit aller Sorgfalt hatten die Zwerge sie entfernt.
Lhiuvan vermutete, dass dies auch der Grund dafür war, dass seine Sinne ihm weder eine verzerrte Form der Stollen noch sonst eine Illusion der Umgebung vorgaukelten. Hatte man früher in der Nähe der magischen Verzierungen nicht aufgepasst, hatten Gänge und Wände gewirkt, als würden sie sich der verrückten Symmetrie der Reliefs angleichen, mit sich kreuzenden, gekrümmten Geraden, ins Unmögliche überdrehten Winkeln und anderen sinnverwirrenden Phänomenen mehr. Er wusste nicht, ob es sich um eine Nebenwirkung der verderblichen Magie gehandelt hatte, oder ob erst diese Reliefs die Verbreitung der Magie im Reich der Thir-Ailith möglich gemacht hatten. Jetzt zählte nur noch, dass sie erloschen war.
Hier gab es keine brennenden Petroleumbecken mehr an den Wänden. Stattdessen waren dort Fackeln und Lampen aufgehängt und sorgten für Licht.
Nach einiger Zeit gelangten sie in eine große Halle. Damals hatten sie sie durch einen Ausgang auf der gegenüberliegenden Seite wieder verlassen. Jetzt jedoch war dieser zugemauert. Sie befanden sich nun ganz in der Nähe der früheren Stadt der Thir-Ailith. Die Schienen führten zu einem etwas weiter rechts gelegenen Durchgang, den auch sie benutzten.
Zwar begegneten sie auch weiterhin immer wieder Zwergen, die verschiedenen Arbeiten nachgingen, doch wenigstens keinen Patrouillen und Wachposten mehr, wie Lhiuvan zufrieden feststellte. Immerhin gab es nur einen einzigen Zugang zu diesem gesamten riesigen Höhlensystem, durch dessen Öffnung das über Äonen hinweg in der Erde eingeschlossene Verhängnis überhaupt erst über die Zwerge hereingebrochen war, und es genügte, diesen zu bewachen, um alle Gefahren fernzuhalten.
Sie näherten sich nun den Bereichen, in denen damals die Sklaven der Thir-Ailith eingesperrt gewesen waren und für die Dunkelelben hatten schuften müssen, bis sie schließlich als Schlachtvieh geendet hatten. Hätte er damals davon gewusst, dass die Zwerge schon wenige Jahre später hier selbst nach Erz und Schätzen schürfen würden, hätte Lhiuvan dies abstoßend und widerlich gefunden.
Nun war es ihm egal.
Er blieb immer wieder stehen und tat so, als würde er sich irgendetwas genauer ansehen, sodass er allmählich hinter die anderen zurückfiel, ohne dass es Verdacht erregte. In einem unbeobachteten Moment nutzte er die Gelegenheit, rasch eine Laterne zu ergreifen und in einem Seitengang zu verschwinden. Einige Sekunden lang blieb er still stehen, lauschte und wartete, aber niemand schien sein Verschwinden bemerkt zu haben und kam, um nach ihm zu sehen.
Erleichtert atmete er auf.
Zwar besaß er nicht den untrüglichen Orientierungssinn der Zwerge, aber er hatte sich lange genug hier aufgehalten, um sich einigermaßen zurechtzufinden. Sie hatten die Stadt der Thir-Ailith auf der rechten Seite umgangen, also brauchte er sich nur in die entgegengesetzte Richtung zu wenden. Es hatte damals zahlreiche Zugänge zu der riesigen Höhle gegeben, in der sie lag, insofern dürfte es ihm nicht schwer fallen, einen davon zu finden.
Sein Ziel war nahe, und nichts würde ihn jetzt noch aufhalten.
5
MOLAKAN
Thalinuels Geschichte, Mai 11657
alter Zeitrechnung der Elben
»So viel Hass«, stieß Molakan verbittert hervor. Im Gegensatz zu den in eng anliegende, braune Lederwämse, grüne Hosen und kniehohe Stiefel gekleideten Kriegerinnen und Kriegern trug der Hüter der Türme von Saltinan auch jetzt ein buntes, um die Hüften mit einem Gürtel gerafftes Gewand. »So viel wilder, ungezähmter Hass. Ist es etwa das, was wir nach allem, was wir für sie getan haben, verdienen? Dass sie uns den Rücken kehren, uns sogar überfallen und abschlachten? Ist es das, was sie unter Dankbarkeit verstehen?«
»Manches, was sie gesagt haben, klang für mich sogar gut nachvollziehbar. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie ohne fremde Beeinflussung ihren eigenen Weg gehen wollen?«, wandte Kadunan ein, ein älterer Krieger, der für seine Ruhe und Besonnenheit bekannt war. »Sie sind nun einmal keine Elben, und deshalb können wir nicht von ihnen erwarten, dass sie all unsere Werte und Ideale übernehmen und unsere Lebensweise teilen.«
»Eine Lebensweise, die es ihnen überhaupt erst ermöglicht hat, das zu werden, was sie heute sind. Wir haben sie dazu befähigt, in Frieden heranzuwachsen und Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende ihrer
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