Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
sondern zur Abschreckung, damit so etwas nicht noch einmal geschieht.«
»Völlig zu Recht«, empörte sich Thalinuel. »Wenn wir untätig bleiben, fühlen sich andere nur noch ermutigt. Ich begreife nicht, wie Lotharon es einfach so hinnehmen kann, nachdem wir ihm unter Einsatz unseres Lebens alle nötigen Informationen beschafft haben!«
»Nur leider keine Beweise, das ist das Problem. Während Molakan sich um deine Verletzung gekümmert hat, ist es dem Anführer der Tzuul gelungen, sich loszureißen. Ehe wir ihn daran hindern konnten, hat er sich selbst die Kehle durchgeschnitten. So konnte er nicht weiter befragt werden, und es existiert nur Molakans Aussage über das, was er in seinem Geist gelesen hat. Die übrigen Tzuul und erst recht die Trolle, die wir anschließend noch in einer Höhle in der Nähe des Lagers aufgespürt haben, waren in die Hintergründe des Komplotts nicht eingeweiht. Sie konnten nur von einem verhüllten Boten berichten, der in ihr Lager gekommen war, um mit dem Anführer zu sprechen, und der ihm Gold für den Angriff auf uns geboten hat.«
»Aber die Aussage eines Edlen wie Molakan dürfte doch wohl ausreichen, und da er sein Wissen direkt aus den Erinnerungen des Tzuul geholt hat, konnte dieser auch nicht lügen!«
»Natürlich, und niemand zweifelt daran. Aber Lotharon nimmt diese Umstände als Vorwand, um nichts unternehmen zu müssen. Seither ist das Verhältnis zwischen den beiden stark belastet, wie du dir denken kannst. Und nicht nur zwischen ihnen. Wir sitzen auf einem Pulverfass. Es ist etwas eingetreten, das es noch nie gegeben hat. Diese Frage droht unser Volk zu spalten. Überall wird darüber gesprochen, wie wir uns den anderen Völkern gegenüber verhalten sollen, nachdem sie uns zurückgewiesen haben. Der Überfall auf uns ist ja nur der schreckliche Höhepunkt dessen, was geschehen ist.« Er seufzte erneut und stand auf. »Wenn ich vorausgesehen hätte, dass unser Vorstoß solch extreme Reaktionen hervorrufen würde, ich weiß nicht, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn wir die Tzuul gar nicht erst aufgespürt hätten. Aber nun brauchst du Ruhe. Ich sehe schon, dass dich das alles viel mehr aufregt, als gut für dich ist. Versuch, ein bisschen zu schlafen, damit du möglichst schnell wieder ganz gesund wirst.«
»Schlafen! Wie soll ich denn unter diesen Umständen schlafen können?«, schnaubte Thalinuel, doch Verilon lächelte sie nur an und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
Aufgebracht starrte sie zur Zimmerdecke empor und versuchte zu verarbeiten, was sie gerade gehört hatte, doch es dauerte nur wenige Minuten, bis die Müdigkeit sie überwältigte und sie tatsächlich wieder einschlief.
»Ich fasse es einfach nicht«, murmelte Thalinuel. »Was haben wir für einen König? Sollen wir uns denn alles gefallen lassen?«
Eine Woche war verstrichen, seit sie erstmals nach ihrer Verletzung wieder erwacht war. In dieser Zeit hatte ihre Genesung so gute Fortschritte gemacht, dass sie bereits in den nächsten Tagen aus der Obhut der Heiler entlassen werden sollte, ein Ereignis, das sie sehnlichst herbeiwünschte. Das Leben war in ihren Arm zurückgekehrt. Sie konnte ihn fast schon wieder normal bewegen, und dank der elbischen Heilkunst würde auch nur eine dünne, kaum sichtbare Narbe zurückbleiben, wie Nasiluan ihr versichert hatte.
An diesem Tag durfte sie das Haus der Genesung erstmals für eine Weile verlassen, und sie nutzte die Zeit, um zusammen mit Verilon einen Spaziergang durch die Stadt zu unternehmen.
Nach typischer Elbenart waren in Saltinan Natur und Baukunst eine perfekte Symbiose eingegangen; es war keine Stadt im Wald, sondern ein Teil des Waldes selbst. Plattformen verschiedenster Größe, manche nur klein, manche hingegen gewaltig, erstreckten sich in unterschiedlicher Höhe zwischen den Bäumen und um sie herum, wobei die Stämme als natürliche Pfeiler dienten. Auf diesen Plattformen waren Häuser errichtet, auch sie in unterschiedlichster Größe und Bauweise, dem Wuchs der Bäume angepasst, denn vielfach bildeten lebende, belaubte Zweige und Ranken Teile der Wände und des Daches. Verbunden waren all die Plattformen durch unzählige Treppen, Rampen und breite Stege.
Im Mittelpunkt Saltinans wuchs eine gigantische Kastanie mit einer Vielzahl von Plattformen in ihren Astgabelungen, auf denen der Palast des Königspaars stand. An den Rändern der Stadt hüllten einige Gebäude besonders hohe Bäume bis in ihre Kronen ein – die
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