Elbenschswert
das nicht die Antwort auf seine Frage
war und dass Artus ganz im Gegenteil seine eigene Frage
längst bedauerte. Die Worte waren ihm herausgerutscht
ohne es wirklich zu wollen. Lancelot kam es so vor, als
hätte ihm dieser Fehler vielleicht das Wichtigste mitgeteilt, was Artus jemals zu ihm gesagt hatte.
»Jetzt überschätzt Ihr mich, Mylord«, meinte er.
Artus lachte leise und nervös. Er fuhr sich mit dem
Handrücken über das Gesicht und wusste für eine Sekunde
nicht, wohin mit seinem Blick. »Verzeiht«, sagte er zum
wiederholten Mal. »Offensichtlich …« Er ließ den Satz
unbeendet, zuckte nur mit den Schultern und machte dann
eine schnelle Geste nach Norden. »Ich glaube, heute werden sie nicht noch einmal angreifen«, sagte er. »Ich habe
zwar mit einer dritten Welle gerechnet, aber es ist spät und
sie haben sich mehr als eine blutige Nase geholt. Morgen
bei Sonnenaufgang wird der endgültige und schwerste
Ansturm folgen.«
»Dann solltet Ihr den Männern eine Ruhepause gönnen«,
meinte Lancelot.
»Und vor allem Euch«, gab Artus zurück. »Geht zurück
zum Schloss, lasst Euch etwas zu essen und zu trinken
geben und dann ruht Euch aus. Das ist ein Befehl – und
diesmal dulde ich keine Widerrede.«
Lancelot hatte nicht vorgehabt zu widersprechen. Es war
noch nicht lange her, da hatte Artus mit der gleichen
Überzeugung behauptet, dass es ganz bestimmt einen dritten und noch schwereren Angriff geben würde, um die
Verteidiger zu zermürben, und es erschien ihm sonderbar,
dass der König seine Meinung so plötzlich geändert haben
sollte. Aber er war zu müde, um darüber nachzudenken,
und etwas in ihm schien zerbrochen zu sein. Seine Loyalität Artus gegenüber war nicht mehr dieselbe wie noch vor
einer Stunde. Sie reichte noch ebenso weit, aber ihre
Gründe hatten sich geändert, und dieser Unterschied war
wichtig. Er nickte Artus zu, dann löste er sich von der
Wand und ging ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei und
die Treppe hinab.
Wie Artus befohlen hatte, ging er zurück zur Burg und
hinunter in die Küche und ließ sich von dem Jungen, der
nun seine ehemalige Stellung innehatte und dessen Namen
er bereits wieder vergessen hatte, eine Mahlzeit zubereiten, die er ohne Appetit hinunterwürgte – einzig aus dem
Wissen heraus, dass sein Körper in den Stunden, die noch
vor ihm lagen, jedes bisschen Kraft und Energie bitter
nötig haben würde, das er ihm geben konnte. Anschließend trank er rasch hintereinander drei Becher Wein –
mehr, als er vertrug, und mehr, als für ihn gut war, denn er
hatte sich auch bei den bei Hofe üblichen Trinkgelagen
bisher stets zurückgehalten –, doch die erhoffte Wirkung
trat nicht ein. Er wurde nicht müde; ganz im Gegenteil
fühlte er sich so aufgekratzt und nervös, dass es ihm unmöglich war, Artus’ zweitem Rat zu folgen, nämlich in
seine Kammer zu gehen und ein paar Stunden zu schlafen.
Er verließ die Küche, ging auch in den Turm, marschierte jedoch mit raschen Schritten vorbei an der Tür zu der
Etage, auf der sein Zimmer lag, und ging bis ganz nach
oben zur Aussichtsplattform.
Erst jetzt, als er wieder in die klare, fast unheimlich stille
Nacht hinaustrat, spürte er, wie klamm sie war und von
einer fast unheimlichen Kälte, die so überhaupt nicht der
Jahreszeit entsprach.
Er war nicht allein. Zwei Männer in den Uniformen der
Stadtgarde standen hinter den Zinnen und hielten aufmerksam Ausschau, und obwohl die Männer sich leise
unterhielten und lachten, taten sie ihren Dienst sehr gewissenhaft, denn sie fuhren sofort herum und griffen nach
ihren Waffen, kaum dass sie seine Schritte gehört hatten.
Ein erleichterter Ausdruck machte sich auf ihren Gesichtern breit, als sie ihn erkannten.
»Sir Lancelot!«, sagte einer der beiden. »Ihr seid es.«
»Wen habt ihr erwartet?«, fragte Lancelot übellaunig.
Die Worte taten ihm sofort wieder Leid – der Mann hatte
nur freundlich sein wollen und es bestand absolut kein
Grund, ihn vor den Kopf zu stoßen, aber Lancelot war
auch nicht in der Stimmung, sich zu entschuldigen.
Ohne auf den erschrockenen Blick des Mannes zu achten, ging er an ihm vorbei, trat an die Zinnen und blickte
nach Norden.
Das Heerlager der Pikten war selbst von hier aus zu erkennen. Der Himmel über den Hügeln leuchtete rot im
Widerschein der zahllosen Feuer, die die Angreifer entfacht hatten, und er konnte eine schnurgerade, viel kleinere Linie winziger heller Punkte dicht davor erkennen – die
Fackeln und Feuer, die auf den
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