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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wieder an. Vor ihm stieg
der Weg in flachem Winkel an, bis er weiter oben einen
scharfen Knick nach rechts machte und nach zwanzig oder
dreißig Schritten wieder aus seinem Blickfeld verschwand.
Dahinter lag dichter, nahezu undurchdringlicher Wald,
ganz wie der, den er gerade durchquert hatte. Nur ein
Stück vor dem Waldrand, weniger als zwei Schritte, brach
der Boden senkrecht ab, sodass sich der Weg am oberen
Rand einer beinahe drei Meter hohen Klippe entlangzog.
Der Boden davor war nur von kniehohem Gestrüpp und
Farngewächsen bestanden. Ein einzelner Felsen und ein
halb verkrüppelter, uralter Baum waren das Einzige, was
das grüne Halbrund durchbrach. Selbst einem oder zweien
von Artus’ Rittern würde es nicht schwer fallen, diesen
schmalen Weg am Waldesrand auch gegen eine große
Übermacht zu halten; ihn in seiner unzerstörbaren Zauberrüstung würde es vermutlich nicht einmal eine wirkliche
Anstrengung kosten.
    Lancelot lauschte. Wie immer, wenn er sich auf einen
Kampf vorbereitete, schienen alle seine Sinne mit einem
Male mit zehnfacher Schärfe zu arbeiten. Er spürte das
Blut in den Adern pulsieren, roch den unverwechselbaren
Geruch des Einhorns, auf dem er saß, den Duft der Wildblumen, das frische Farnkraut und das schwere Aroma
nasser Erde und er hörte den lauter werdenden Hufschlag.
Er konnte sogar abschätzen, wie lange es noch dauern
würde, bis die Reiter hinter der Wegbiegung auftauchten
und ihn erblickten. Alles war ganz genau so, wie er es sich
als Kind sehnlichst gewünscht hatte: eines Tages ein Ritter
zu sein, der in einer schimmernden Rüstung auf einem
gepanzerten Pferd sitzen würde, das Schwert in der Hand
und auf den Feind wartend, den er in einem heroischen
Kampf besiegen würde.
    Er hatte sich den großen Traum seines Lebens erfüllt.
Er war alles und noch viel mehr geworden, was er jemals
hatte werden wollen, aber er hatte auch einen gewaltigen
Preis dafür bezahlt. Er hatte eine Heimat gehabt. Sie war
nicht sehr schön gewesen. Die Menschen, bei denen er
aufgewachsen war, hatten ihn nicht geliebt, sondern ihn
nur mit Verachtung behandelt und nach Kräften ausgenutzt, und sein einziger Freund war ein kleiner Hund gewesen, sein Lager der Heuboden in der Scheune seines
Ziehvaters. Er erinnerte sich genau an die verbissenen
Kämpfe mit dem schmutzigen Geschirr von König Artus’
Tafel und wie er bei den Gelagen einen Krug Wein um
den anderen hatte holen müssen.
Und dennoch war das seine Heimat gewesen. Er vermisste sie. Die vielleicht wichtigste Lektion, die Lancelot
du Lac, der vor gar nicht so langer Zeit bloß Dulac geheißen und ein Küchenjunge am Hofe von König Artus gewesen war, in seinem neuen Leben gelernt hatte, war die,
dass man den wahren Wert dessen, was man einmal besessen hat, wohl immer erst dann erkennt, wenn man es verloren hat.
Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln streifte Lancelot
die Gedanken ab. Er hatte während der letzten Tage, die er
einsam in den Wäldern verbracht hatte, wahrlich genug
Zeit zum Grübeln gehabt. Er machte sich keine Sorgen
darüber, den Kampf zu verlieren oder vielleicht verwundet
zu werden. Keine von Menschen geschmiedete Waffe
vermochte seine Rüstung zu durchdringen und kein von
Menschenhand geschaffener Panzer dem tödlichen Biss
seines Schwertes zu widerstehen. Doch er war sich darüber im Klaren, dass er nicht völlig unverwundbar war;
das hatte er in der Schlacht am Cromlech schmerzhaft
erfahren. Das Einzige, was ihm wirklich gefährlich werden konnte, war ein anderes Elbenschwert – und das hing
am Gürtel eines Mannes, der sich eher selbst die Hand
abhacken würde als es gegen ihn zu ziehen. Dennoch gemahnte sich Lancelot innerlich zur Ordnung.
Er schloss das Visier und ließ das Einhorn langsam den
sacht ansteigenden Weg hinauftraben. Das Licht war sehr
hell, fast golden, obwohl der Tag noch nicht lange begonnen hatte, und es war bereits warm. Schatten und Lichtreflexe jagten einander, als der Wind mit den dichten Baumkronen spielte, und Lancelot sah plötzlich, wie bunt die
Blumen waren, die am Waldrand wuchsen, was für ein
perfektes Muster Unterholz und Stämme bildeten, wie
sanft sich das Zwitschern der Vögel in die natürlichen
Geräusche des Waldes einfügte … wie schön dieser Moment war.
Ein seltsames Gefühl von Trauer überkam ihn. Seit er
vor einigen Tagen die silberne Rüstung angelegt und
diesmal unwiderruflich zu Lancelot geworden war, wurden seine

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