Elbenschswert
diese verfluchte Silberrüstung zum ersten Mal angelegt hatte – für den Rest seines
Lebens in seinen Träumen erscheinen würden und dass es
keine Entschuldigung gab. Dass diese Männer Pikten waren und somit die eingeschworenen Feinde Camelots,
zählte nicht. Es waren die Reiche, die gegeneinander
kämpften, aus Gründen, die die allermeisten ihrer Menschen nicht begriffen und die sie auch nicht wirklich interessierten, und irgendjemand hatte diese acht Krieger geopfert, weil es ihm ein kluger Schachzug in seinem Spiel zu
sein schien. Er musste wieder an das denken, was Mordred
über die piktischen Soldaten gesagt hatte: Fleisch. Mehr
waren sie nicht für ihn und vielleicht war auch er, Lancelot, in Wahrheit nicht mehr als eine Figur auf dem Spielbrett größerer, älterer Mächte. Aber waren sie dadurch
besser?
Er betrat den unterirdischen Saal, den er schon von seinen beiden letzten Besuchen her kannte, und war nicht
sonderlich überrascht, sich einem weiteren halben Dutzend in schwarzes Leder und rostige Rüstungsteile gehüllter Pikten gegenüberzusehen. Sie hatten nicht versucht
ihm hinter der Tür aufzulauern, sondern bildeten eine geschlossene Verteidigungslinie vor dem gewaltigen Eisentor auf der anderen Seite des Saales. Ihre Speere waren
warnend in Lancelots Richtung gerichtet und zwei von
ihnen zielten mit großen Bögen auf ihn.
Bei der geringen Entfernung hier unten konnten sie ihn
unmöglich verfehlen, aber wie ihr Kamerad oben vor der
Tür zögerten sie noch zu schießen. Wie er mussten sie
wissen, dass es am Ausgang dieses Kampfes keinen Zweifel gab.
Lancelot griff sie nicht sofort an, sondern hob nur Schild
und Schwert und sah die Männer durch den schmalen Sehschlitz seines heruntergeklappten Visiers durchdringend
an. Warum gingen sie nicht? Er führte eine Waffe, die
Eisen schnitt wie normaler Stahl ein Blatt Papier, und diese Männer waren aus keinem anderen Grund hier, als um
zu sterben. Aber warum? Selbst wenn sie für ihren Befehlshaber nicht mehr als Fleisch waren, warum warf er es
so sinnlos weg? Statt den Kampf zu eröffnen, senkte er
Schwert und Schild und klappte das Helmvisier nach
oben.
»Gebt den Weg frei«, sagte er.
Keiner der Männer reagierte. Lancelot hob das Schwert
und sagte noch einmal und in bewusst drohendem Tonfall:
»Tretet zur Seite! Ich will nichts von Euch. Ihr könnt am
Leben bleiben.«
Als Antwort flog ein Pfeil in seine Richtung und Lancelot musste blitzschnell den Kopf zur Seite drehen, denn
das Geschoss war so gut gezielt, dass es sein offenes
Helmvisier getroffen hätte. Fluchend klappte er das Visier
herunter und der Kampf im Hof fand eine schreckliche
Fortsetzung.
In dem engen Raum war es den Männern noch schwieriger, ihm auszuweichen oder auch nur nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen. Von den sechs Kriegern fielen
fünf in wenigen Sekunden und der letzte warf seine Waffen weg und suchte sein Heil in der Flucht.
Und Lancelot beobachtete sich selbst voller Entsetzen
dabei, wie er ihn verfolgte, einholte und niederschlug,
noch bevor er die Treppe erreichte.
Keuchend schob er das Schwert wieder in den Gürtel zurück und trat auf das mit uralten, unheimlichen Runen
verzierte Eisentor auf der anderen Seite der Halle zu. Er
verbot sich selbst, über das nachzudenken, was er gerade
getan hatte. Nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war, hatte es dennoch eine Steigerung des Entsetzlichen gegeben, auch wenn er es selbst nicht mehr für möglich gehalten hätte. Für einen kurzen Moment hatte das
Schwert seine Handlungen bestimmt und nicht er die der
magischen Klinge, und er hatte einen flüchtenden Mann
verfolgt und ihm in den Rücken gestochen. Doch jetzt
ging es um Gwinneths Leben. Mit einem entschlossenen
Ruck schob er die Tür auf und trat in den dahinter liegenden Raum. Er rechnete mit einem weiteren Hinterhalt,
noch mehr Kriegern, die auf ihn warteten um zu sterben,
aber die große Tropfsteinhöhle war leer.
Mit heftig klopfendem Herzen sah er sich um. Obwohl
er nicht zum ersten Mal hier war, erfüllte ihn der Raum
mit derselben Angst und Kälte wie zuvor. Die Höhle war
so groß, dass man ihre genauen Abmessungen nur ahnen
konnte, und die Luft war kalt, nass und von etwas unglaublich Fremdem durchdrungen. Das einzige Licht kam
von einem kleinen See, ein Dutzend Schritte von der Tür
entfernt und nahezu kreisrund, aus dessen Mitte sich ein
fragiles Kristallgebilde erhob, das in sanften Rot- und
Grün-
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