Elbenschswert
und Blautönen von innen heraus leuchtete. Wenn
man genau hinsah, hatte es Ähnlichkeit mit einer Märchenburg, mit all seinen Zinnen, Vorsprüngen, Türmchen
und Erkern, und wenn man noch genauer hinsah, dann
konnte man noch die Stelle erkennen, an der er damals mit
dem Schwert darauf eingeschlagen hatte. Ein kalter
Schauer lief über Lancelots Rücken. Damals hatte er nicht
gewusst, was dieses wunderschöne und zugleich so erschreckende Gebilde wirklich war. Um ein Haar hätte er
eine Katastrophe auf Camelot und all seine Bewohner herabbeschworen. Wie viele Dinge mochte es noch geben, die
er vielleicht aus Unwissenheit tun würde?
Langsam ging er weiter. Die Tür fiel ohne sein Zutun
hinter ihm ins Schloss, sodass Lancelot zusammenfuhr
und instinktiv die Hand auf das Schwert legte, um sie
gleich wieder zurückzuziehen. Hier und jetzt brauchte er
diese Waffe nicht.
Zum ersten Mal, seit er am Ufer des flachen Sees stand
und auf den magischen Kristall hinabblickte, wurde ihm
klar, wie wenig er im Grunde überhaupt wusste.
Vieles von dem, was die Menschen für Legenden und
Mythen hielten, war wahr. Es gab die Tir Nan Og und es
gab das Alte Volk, die Elben, Feen und Goblins, die Pixies
und Pukas – aber damit hörte sein Wissen auch schon
wieder auf. Für jede Frage, die er beantworten konnte,
hatte er tausend neue gefunden, auf die er keine Antwort
wusste – wie zum Beispiel auf die, wie er den Weg zu
Morgaine Le Faye und damit Gwinneth eigentlich finden
sollte.
Lancelot sah sich unschlüssig um. Es gab keinen weiteren Ausgang aus dieser Höhle, keine Tür, keinen verborgenen Durchgang in einen weiteren Raum – wohin auch?
Wenngleich dieser Raum unheimlich war, gehörte er doch
zur Welt der Menschen, dem Universum des Hier und
Jetzt, nicht zu den Gefilden der Unsterblichen, deren Zentrum die Tir Nan Og war. Wenn es hier einen Weg hinüber
in diese andere, verwunschene Welt gab, dann war es mit
Sicherheit keine Tür.
Irgendwie hatte alles mit Wasser zu tun. Artus hatte ihn
als Säugling am Ufer eines Sees gefunden. Er selbst hatte
die Rüstung am Grunde eines Sees gefunden – vermutlich
desselben, in dem Artus ihn gefunden hatte –, und was
Excalibur anging: Hieß es nicht, dass die Herrin des Sees
den Menschen dieses Schwert geschenkt hätte, auf dass
der rechtmäßige König Britanniens es aus dem Stein ziehe
und benutze? Langsam bewegte sich Lancelot weiter auf
den See zu.
Als er in das Wasser stieg, erschauerte er. Es war eiskalt.
Er stockte im Schritt, überwand sich dann und ging weiter, bis ihm das Wasser an die Hüften reichte. Der Boden
unter seinen Füßen wurde jetzt immer abschüssiger und er
hatte Mühe, nicht zu stürzen, was in der schweren Rüstung
möglicherweise seinen Tod bedeutet hätte; Lancelot war
nicht sicher, ob es ihm gelingen würde, sich beladen mit
Schild, Harnisch, Bein- und Armschienen, Schwert und
Helm wieder aufzurichten, vom Schwimmen ganz zu
schweigen. Er blieb stehen, tastete behutsam mit dem Fuß
über den Boden vor sich – und verlor prompt das Gleichgewicht. Noch bevor er einen erschrockenen Schrei hätte
ausstoßen können, kippte er zur Seite und wurde von der
Rüstung wie ein Stein nach unten gezogen, ganz wie er
befürchtet hatte.
Nur dass er nicht ertrank. Obwohl er das Visier hochgeklappt und der Helm alles andere als wasserdicht war,
konnte er atmen. Es drang kein Wasser in den Helm.
Im ersten Moment war Lancelot so verblüfft, dass er einfach reglos auf dem Grund des kleinen Sees hocken blieb
und darauf wartete, dass irgendetwas geschah.
Dann aber wurde ihm allmählich klar, wieso er noch lebte und atmen konnte: Dasselbe war ihm schon einmal widerfahren, damals am See, als er diese Rüstung gefunden
hatte. Auch da hatte er den Helm aufgesetzt und plötzlich
unter Wasser atmen können, nur hatte er geglaubt, es
handle sich um etwas so Einfaches wie eine Luftblase, die
sich in dem alten Helm gefangen hatte.
Jetzt aber wurde ihm klar, dass der Zauber dieser magischen Rüstung weiter reichte, als ihm bisher bewusst gewesen war. Offenbar schützte sie ihren Träger vor jedweder Gefahr.
Behutsam richtete er sich weiter auf, aber sein Kopf
blieb unter Wasser; sein Sturz hatte ihn ein gutes Stück
tiefer in den kleinen See hineinschlittern lassen, sodass er
tatsächlich ertrunken wäre, selbst wenn er es fertig gebracht hätte, schnell genug in der schweren Rüstung aufzustehen. Sonderbar, dachte er. So groß war ihm der
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