Elbenschswert
die Szene
vor seinem inneren Auge noch einmal Revue passieren
ließ, erinnerte er sich, das zerbeulte Trinkgefäß zuvor
schon einmal gesehen zu haben: Vor der Schlacht gegen
die Pikten hatten Artus und seine Ritter das Abendmahl
empfangen und den Messwein daraus getrunken. »So sicher, wie man sein kann, wenn man nur die Aussage eines
Jungen und eines Diebes hat«, antwortete er vorsichtig.
Artus’ Gesicht verdüsterte sich. »Ich werde sie beide –«
»Es wäre ein Fehler, den Jungen zu bestrafen«, sagte
Lancelot rasch. »Ohne ihn wären wir nie auf die Spur des
Grals gekommen. Wir sollten ihm dankbar sein.«
»Vermutlich habt Ihr Recht«, sagte Artus, wenn auch
mit spürbarem Widerwillen. »Und was diesen diebischen
Schankwirt angeht …« Er ließ den Satz drohend unvollendet, straffte sich und ging wieder zu Tander zurück. Eine
Weile blieb er vor dem Schankwirt stehen und sah ihn an,
und obwohl er nichts sagte und sein Gesicht vollkommen
unbewegt blieb, schien Tander unter seinem Blick regelrecht zusammenzuschrumpfen. Er wand sich wie eine
Schlange, und wäre das überhaupt noch möglich gewesen,
wäre er noch blasser geworden.
»Ich habe also einen Dieb in mein Haus eingeladen«,
sagte Artus schließlich.
»Aber Herr, ich versichere Euch, dass ich nichts angerührt habe!«, beteuerte Tander. »Ich würde niem-«
»Was hast du mit den Dingen gemacht, die du aus unseren Kellern gestohlen hast?«, unterbrach ihn Artus.
»Ich rate dir, sag die Wahrheit. Dein Leben kann von
deinen nächsten Worten abhängen.«
Tander begann nun tatsächlich zu wimmern. Er sank vor
Artus auf die Knie und hob bittend die Hände.
»Herr, ich flehe Euch an, es waren nur ein paar alte Töpfe und Pfannen, die ich aussortiert habe, weil sie mir zu
schäbig erschienen, um Euer Essen darin zuzubereiten.«
»Was hast du damit gemacht, habe ich gefragt!«, sagte
Artus scharf.
»Ich … ich habe sie an einen Trödler verkauft«, stammelte Tander. »Das Geld, das ich dafür bekommen habe,
habe ich ordnungsgemäß abgerechnet, das schwöre ich!
Ihr könnt die Bücher einsehen, es ist jeder Heller verzeichnet.«
»Das bezweifle ich nicht«, sagte Artus. »Ein so talentierter Dieb ist sicher auch ein guter Fälscher. An einen Trödler, sagst du? Wie ist sein Name? Wo lebt er?«
»Das weiß ich nicht, Herr«, behauptete Tander. »Er kam
mit seinem Wagen in die Stadt und hat Altmetall aufgekauft und … da erschien es mir als ein glücklicher Zufall
und ich habe ihm die ganze Wagenladung für ein paar
Heller überlassen.«
Artus sah ihn an, als glaube er ihm diese Geschichte.
Dann trat er seufzend einen Schritt zur Seite und winkte
Galahad und Parzifal herbei. »Sir Galahad, haltet ihn
fest«, sagte er. »Und Ihr, Parzifal, schneidet ihm den kleinen Finger der rechten Hand ab. Aber holt zuvor Verbandszeug, damit er uns nicht verblutet.«
Tander kreischte und versuchte in die Höhe zu springen,
aber Galahad packte ihn ohne Mühe, warf ihn auf den
Tisch und blockierte seinen rechten Arm mit dem Knie,
dann packte er seine Hand und zwang die Finger auseinander. Sir Parzifal trat mit schnellen Schritten an den
Tisch und zog seinen Dolch.
»Nein!«, schrie Tander. »Ich flehe Euch an, Herr, tut es
nicht!«
Parzifal beugte sich über den Tisch. Das Messer in seiner Hand blitzte und Artus hob im allerletzten Moment die
Hand und hielt ihn zurück.
»Ich will dir noch eine letzte Chance geben, deine Worte
zu überdenken«, sagte er. »Aber bevor du antwortest, bedenke: Du hast fünf Finger an jeder Hand und zwei Hände. Und fünf Zehen an jedem Fuß und zwei Füße. Also?«
»Ich kenne ihn«, wimmerte Tander. »Sein Name ist
Marcus. Er zieht mit seinem Karren von Stadt zu Stadt
und kauft alte Töpfe, Pfannen und zerbrochene Waffen.«
»Marcus?«
»Marcus, der Einäugige«, sagte Galahad. Er schürzte
grimmig die Lippen. »Ich würde ihn allerdings eher als
Marcus, den Hehler, bezeichnen. Er kauft alles, was man
ihm anbietet, wenn der Preis nur gut ist. Von Rechts wegen hätte er schon hundertmal am Galgen hängen müssen,
aber irgendwie gelingt es ihm immer wieder, sich herauszuwinden.«
»Und wo finden wir diesen Marcus den Einäugigen?«,
wandte sich Artus an Tander.
»Das weiß ich nicht«, wimmerte Tander. »Das ist die
Wahrheit, Herr, das müsst Ihr mir glauben. Er wohnt nirgends. Er wollte von hier aus nach Stanton, das ist alles,
was ich Euch sagen kann.«
Artus sah zitternde Bündel Elend auf dem Tisch
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