Elbenschswert
aufgeregte Rufe laut und er sah
mit unendlicher Erleichterung, wie Parzifal in Begleitung
eines ganzen Dutzends weiterer Ritter herangestürmt kam.
Als Parzifal begriff, was geschehen war, stieß er einen
zornigen Schrei aus und wollte mit hoch erhobenem
Schwert an Artus und Lancelot vorbeirennen, aber Artus
hielt ihn mit einer raschen Bewegung zurück.
»Bleibt!«, sagte er. »Sie sind fort.«
Parzifal machte zwei weitere Schritte, ehe er zögernd
stehen blieb, aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit am Ende des Ganges starrte und sich
dann widerwillig zu Artus herumdrehte. Er wagte es nicht,
ihm zu widersprechen, aber in seinen Augen war deutlich
zu lesen, dass er nicht unbedingt so überzeugt davon war,
dass es hier niemanden mehr gab, wie Artus gesagt hatte.
Lancelot konnte ihm diesen Zweifel nicht verdenken. Er
war noch nicht oft hier unten gewesen, aber doch oft genug um zu wissen, dass sich der Gang zwar noch ein gutes
Stück dahinzog, es aber keinen zweiten Ausgang gab.
Artus stand mit einem Ruck auf und bedeutete Lancelot
mit einer entsprechenden Geste, neben ihn zu treten.
»Kümmert Euch um Galahad«, sagte er. »Bringt ihn
nach oben, rasch. Aber seid vorsichtig, er hat eine Menge
Blut verloren.« An Lancelot gewandt fuhr er fort:
»Kommt mit!«
Lancelot betrachtete einen Moment lang schaudernd seine rechte Hand, die rot vom Blut des Tafelritters war. Sein
ganzer Körper schmerzte immer noch von dem furchtbaren Stoß, mit dem ihn der Dunkelelb gegen die Wand geworfen hatte, und er verstand weniger denn je, was überhaupt geschehen war. Wieso lebte er noch? Wieso hatte
Artus den Angreifer nicht getötet? Artus machte eine herrische Geste, ihm zu folgen, und gebot den anderen Männern zurückzubleiben. Ganz bestimmt nicht, um es zu benutzen, sondern einzig weil seine Ritter es von ihm erwarteten, zog er das Schwert wieder aus dem Gürtel, während
er mit langsamen, aber dennoch entschlossenen Schritten
weiter in den Gang hineinging. Lancelot bewegte sich
neben ihm her, ließ seine Waffe aber im Gürtel. Er wagte
sich nicht einmal vorzustellen, was geschehen konnte,
wenn er den Griff des Zauberschwertes mit einer Hand
berührte, von der das Blut seines Kameraden tropfte. Nach
einem Dutzend Schritten blieben sie wieder stehen. Vor
ihnen lag ein weiterer erschlagener Soldat, der nichts
Schlimmeres getan hatte, als im falschen Moment hier
unten Wache zu haben. In der Wand links von ihnen befanden sich drei Türen aus massivem Eichenholz, die so
niedrig waren, dass sich selbst ein kleingewachsener Mann
hätte bücken müssen, um hindurchzutreten. Der schwere
Riegel war zerschlagen.
Lancelot wollte die Hand nach der Tür ausstrecken, aber
Artus schüttelte rasch den Kopf, trat einen halben Schritt
zurück und berührte das Holz mit der Spitze Excaliburs.
Ein Schauer winziger blauer Funken lief über das silberne
Metall und erlosch, bevor es die goldene Parierstange erreichte, und Lancelot konnte sehen, welche Anstrengung
es Artus kostete, die Tür mit dem Schwert aufzuschieben.
Einen Moment später verstand er auch, warum. Es lag
nicht am Gewicht der Tür, auch wenn sie aus mehr als
zollstarken, steinharten Eisenbohlen bestand. Es waren die
Angeln.
Sie waren vereist.
Aus der Kerkerzelle wehte ihnen ein Hauch so grausam
kalter Luft entgegen, dass Lancelot fast nicht mehr atmen
konnte. Drinnen brannte kein Licht, aber der rote Schein,
der vom Gang in die Zelle hineinfiel, reichte mehr als aus
um ihr Inneres zu enthüllen.
Boden, Wände und die Decke waren mit einer dicken
Eisschicht überzogen. Selbst die Luft schien vor Kälte zu
knistern, als Artus vorsichtig einen halben Schritt machte
und die Spitze des Schwertes in den Raum hineinschob. Er
schien auf etwas ganz Bestimmtes zu warten und wirkte
erleichtert, als nichts weiter geschah, als dass sich Excaliburs silbernes Metall mit einer dünnen Raureifschicht
überzog, wagte es aber dennoch nicht, die Zelle gänzlich
zu betreten. Stattdessen schob er die Tür nur weiter auf,
bis das hindurchfallende Licht ausreichte, um jeden Winkel des dahinter liegenden Raumes einsehen zu können. Er
war leer. Wenn jemand darin gewesen war, dann war er
geflohen.
»Mordred«, sagte Artus leise.
Es dauerte einen Moment, bis Lancelot verstand. Er war
hier heruntergekommen, um Evan zu holen, und er wusste
ja, dass Artus Mordred in eine normale Zelle hatte verlegen lassen, aber irgendwie war es ihm bisher gar
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