Elbenschswert
nicht in
den Sinn gekommen, dass sie hier unten noch diesen Gefangenen antreffen würden. »Mordred?«, vergewisserte er
sich. »Das war Mordreds Zelle?«
Artus nickte grimmig. »Ja. Sie haben ihn geholt.«
Wieder dauerte es einige Augenblicke, bevor Lancelot
der Sinn dieser Worte klar wurde. Dann sog er erschrocken die Luft ein. »Morgaine?«, keuchte er. »Ihr
meint, es war –«
»Nicht so laut«, sagte Artus warnend. Leiser und mit einem Nicken fuhr er fort: »Das ist ihre Magie. Habt Ihr
ihren Zauber nicht gespürt, als wir herunterkamen?«
Natürlich hatte er das. Jetzt endlich wurde ihm klar, was
es die ganze Zeit über gewesen war, das er gefühlt hatte.
Was er immer in der Nähe Morgaine Le Fayes spürte.
Er wollte eine Frage stellen, aber Artus ließ das Schwert
sinken, drehte sich abrupt um und trat an die daneben liegende Zellentür. Auf dieselbe Weise wie vorhin schob er
sie auf und im ersten Moment schienen sich die Anblicke
vollkommen zu gleichen. Dann aber sah Lancelot, dass es
doch einen Unterschied gab. Diese Zelle war nicht leer.
Auf dem zu weißer Härte erstarrten Stroh vor der Rückwand saß eine zusammengesunkene menschliche Gestalt.
Ihr Kopf war nach vorne gefallen, sodass Lancelot das
Gesicht nicht erkennen konnte, aber das war auch nicht
nötig. Es war Tander. Auch er war mit einer fingerdicken
Eisschicht überzogen und Lancelot zweifelte nicht daran,
dass er wie Glas zerbrechen würde, würde er ihn jetzt berühren. Einen Moment lang blieb er stehen und starrte das
grausige Bild an, dann fuhr er mit einer hastigen Bewegung herum, trat an die dritte Tür, die sich am Ende des
Ganges befand, und sprengte sie mit einem Fußtritt auf.
Die zu einer weißen Skulptur verkrümmte Gestalt, die
vor der rückwärtigen Wand lag, war kleiner als die Tanders, und Lancelot begriff plötzlich den Unterschied, den
es machte, wenn man einem Menschen den Tod wünschte
und er ihn dann wirklich ereilte. In seinem früheren Leben
als Dulac hatte Evan ihn unzählige Male gequält und er hatte ihm den Tod gewünscht, nicht so, wie man manchmal gedankenlos jemandem die Pest an den Hals wünschte, sondern allen Ernstes. Aber nun empfand er nur Entsetzen und einen plötzlich aufwallenden, so heißen Zorn,
dass er fast aufgeschrien hätte.
»Warum haben sie das getan?«, murmelte er fassungslos.
»Vielleicht weil sie keine Zeugen wollten«, antwortete
Artus leise. Er hob die Schultern. Seine Stimme wurde
noch leiser und bitterer. »Vielleicht gab es auch keinen
Grund. Morgaine braucht keinen Anlass, um ein Menschenleben auszulöschen.« Er ließ ein tiefes, fast
schmerzhaft klingendes Seufzen hören, schloss für einen
Moment die Augen und schüttelte dann traurig den Kopf.
»Kommt, Sir Lancelot«, sagte er leise. »Es gibt hier
nichts mehr, was wir noch tun könnten.«
Mehr als zwei Stunden lang kämpften der Arzt, den Artus
aus der Stadt hatte holen lassen, und Gwinneth verzweifelt
um Sir Galahads Leben und es verging in diesen zwei
Stunden nicht ein Augenblick, in dem es nicht auf Messers
Schneide gestanden hätte. Lancelot, Artus, Parzifal und
etliche andere Ritter warteten die ganze Zeit vor der Tür
zu Gwinneths Gemach, in das man den schwer verletzten
Ritter gebracht hatte; zum einen, weil es dem Verlies nahe
lag, zum anderen, weil es, abgesehen von Artus’ eigenem
Schlafgemach, das sich in einem anderen Teil der Burg
befand, das Zimmer mit dem bequemsten Bett war und
auch über einige andere Annehmlichkeiten verfügte, mit
denen die kargen Räume, in denen die Ritter normalerweise schliefen, nicht aufwarten konnten. Die Zeit, bis sich
die Tür endlich wieder auftat und der Arzt herauskam,
schien stillzustehen. Hinterher war Lancelot klar, dass es
nicht einmal zwei Stunden gewesen sein konnten, aber sie
kamen ihm vor wie zwei Jahre. Kaum einer der Männer
sprach. Auf allen Gesichtern waren Sorge und mühsam
unterdrücktes Entsetzen zu sehen, denn Galahad war nicht
nur einer der ihren, sondern bei den allermeisten Rittern
ganz besonders beliebt. Vor allem Sir Parzifal, den mit
Galahad eine langjährige tiefe Freundschaft verband, marschierte unruhig wie ein gefangener Wolf auf dem schmalen Gang auf und ab und sah immer wieder auf die geschlossene Tür, als könne er sie allein mit der Kraft seiner
Blicke durchdringen und seinem Freund, der in dem Raum
dahinter mit dem Tode rang, auf diese Weise Kraft spenden. Keiner der Männer hatte wirklich gefragt, was sich in
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