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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fragte Lancelot.
»Dasselbe wollte ich Euch auch gerade fragen«, antwortete Parzifal mit einem müden Lächeln. »Ihr habt mir den
ganzen Tag keine Gelegenheit dazu gegeben.«
Lancelot tat so, als ob er überhaupt nicht verstünde.
»Wovon sprecht Ihr?«
»Was ist heute Morgen unten im Verlies passiert?«, fragte Parzifal geradeheraus. Er hob die Hand, als Lancelot
antworten wollte. »Ich bitte Euch, sagt mir die Wahrheit.
Was ist wirklich geschehen?«
Mit gespielter Verwirrung erwiderte Lancelot Parzifals
Blick und gab sich zumindest Mühe, denselben Ausdruck
auch in seine Stimme zu legen.
»Aber das wisst Ihr doch. Die Pikten haben Mordred befreit. Wir sind gerade noch zurechtgekommen um sie zu
überraschen, aber nicht mehr um es zu verhindern. Und es
waren ziemlich viele. Wenn ihr und die anderen nicht gekommen wärt, dann –«
»Pikten!« Parzifal lachte völlig humorlos. »Ich verstehe.
Dann haben sie wohl einen Tunnel gegraben und hinter
sich wieder zugeschüttet, wie? Und es müssen schon eine
Menge gewesen sein, denn die Männer, die unten vor
Mordreds Zelle Wache gehalten haben, waren keine Anfänger. Außerdem könnten nicht einmal fünfzig Pikten
drei so hervorragende Schwertkämpfer wie Artus, Galahad
und erst recht Euch besiegen.«
Lancelot schwieg eine ganze Weile. Irgendwie gelang es
ihm, Parzifals Blick standzuhalten, aber ihm war klar, dass
der junge Tafelritter nur aussprach, was jedermann in Camelot denken musste. Dass nämlich die Geschichte, die
Artus und er erzählt hatten, unmöglich die Wahrheit sein
konnte. Aber was sich tatsächlich zugetragen hatte, das
konnte er unmöglich sagen. Schließlich rettete er sich in
ein Achselzucken. »Ich kann Euch nicht vorschreiben, was
Ihr zu glauben habt und was nicht«, sagte er. »Ich kann
Euch nur erzählen –«
»– was Artus Euch erlaubt hat«, fiel ihm Parzifal ins
Wort. »Ich verstehe.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Lancelot.
»Versteht mich nicht falsch«, sagte Parzifal, nun wieder
in etwas versöhnlicherem Ton und kopfschüttelnd. »Ich
will Euch nicht in Verlegenheit bringen. Ich hätte nur gerne gewusst …«
»Ja?«, fragte Lancelot, als Parzifal nicht weitersprach,
sondern an ihm vorbei auf die schmutzige Wand in seinem
Rücken starrte.
»Ich hätte gern gewusst, mit wem wir es wirklich zu tun
haben«, murmelte Parzifal. »Ich habe keine Angst vor
einem Feind aus Fleisch und Blut. Ich weiß, dass ich eines
Tages durch das Schwert umkommen werde, aber dieser
Gedanke schreckt mich nicht. Der Gedanke an schwarze
Magie und Zauberei schon.«
Wenn du wüsstest, wie nahe an der Wahrheit du bist, dachte Lancelot. Warum erzählte er es ihm nicht? Sosehr
er Artus’ Beweggründe und Argumente verstand, hatte er
im Grunde seines Herzens doch nicht akzeptiert, dass Artus, ausgerechnet er, selbst jene Männer belog, die ohne zu
zögern unzählige Male ihr Leben für ihn aufs Spiel gesetzt
hatten, für ihn und seine Ideale.
Aber er konnte es nicht.
»Sir Braiden hatte Recht.« Er stand auf. »Lasst uns
schlafen gehen. Wir haben morgen einen anstrengenden
Ritt vor uns.«
Parzifal sah ihn auf eine Art vorwurfsvoll an, die es Lancelot alle Mühe kostete, seinem Blick noch länger standzuhalten, erhob sich dann aber, drehte sich zur Treppe und
schien darauf zu warten, dass Lancelot ihm folgte. Lancelot schüttelte aber nur den Kopf und machte eine entsprechende Geste nach draußen. »Ich schlafe bei den Pferden«,
sagte er. »Es gibt nur ein Zimmer hier.«
»Und Sir Braiden schnarcht, dass man meint, er würde
ganz England abholzen«, behauptete Parzifal mit einem
müden Lächeln. »Wahrscheinlich habt Ihr die bessere
Wahl getroffen.«
Was natürlich nicht der Grund war, aus dem es Lancelot
vorzog, im Stall bei den Pferden zu schlafen. Er wollte
einfach allein sein. Er musste noch über so vieles nachdenken.
Er beantwortete Parzifals müdes Lächeln auf dieselbe
Art, wartete, bis der junge Ritter nach oben gegangen war,
und verließ dann das Haus. Die Nacht war warm und dunkel und so still, dass er nicht das Gefühl hatte, sich in einer
Stadt zu befinden. Lancelot blieb einen Moment stehen
und sah sich um. Das Gasthaus erinnerte auf beinahe verblüffende Weise an das Tanders in Camelot, nur dass es
deutlich kleiner war und sich in noch schlechterem Zustand befand als das des fettleibigen Schankwirtes, bevor
er zu so überraschendem Reichtum gelangt war. Aber dies
hier war eine Schäbigkeit, die aus Armut

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