Elbenschswert
die Männer auf«, entschied Lancelot. Er
antwortete ganz automatisch und noch bevor ihm selbst
klar wurde, wie absurd diese Situation war. Sir Braiden,
einer der ältesten und erfahrensten Männer von Artus’
Tafel fragte ausgerechnet ihn , den ehemaligen Küchenjungen, um Rat? Dennoch fuhr er fort: »Wir haben zehn
Männer hier. Jeder von ihnen kann in einen anderen Ort
reiten und versuchen dort die Spur dieses Diebes aufzunehmen. Den übrig gebliebenen Ort übernehmen wir –
und nach Camelot wollten wir ja ohnehin zurück.«
»Ein guter Plan«, stimmte ihm Parzifal zu. »Und er hätte
noch dazu den Vorteil, dass sich ein einzelner Soldat vermutlich nicht so benimmt wie die, die wir hierher geschickt haben.« Er legte eine Pause ein und warf einen
Beifall heischenden Blick in Lancelots Richtung. »Ich will
nicht, dass die Männer bestraft werden. Wir brauchen vielleicht bald jeden einzelnen Krieger. Aber ich werde trotzdem mit dem Kommandanten der Wache reden. Es tut
Artus’ Ruf in der Bevölkerung nicht gut, wenn sich seine
Soldaten so aufführen wie hier.«
Lancelot war ein wenig überrascht. So wie er Parzifal
kennen gelernt hatte, hätte er diese Reaktion von ihm erwarten sollen, aber er hatte es nicht und fragte sich, ob er
vielleicht zu streng mit den Rittern ins Gericht ging; nicht
nur mit Parzifal. Hastig nickte er um seine Zustimmung
kundzutun.
»Ganz wie Ihr meint«, sagte Braiden und gähnte demonstrativ. Er stand auf. »Und welchen Ort habt Ihr für uns
ausgesucht, Sir Lancelot?«
Lancelot war irritiert, denn er bildete sich den sanften
Spott in Braidens Stimme ganz bestimmt nicht ein. Dennoch überlegte er nur einen Augenblick. »Blackmanor
Castle«, sagte er schließlich. »Ein Tagesritt östlich von
hier.«
»Und nichts anderes als eine heruntergekommene Ruine,
deren Besitzer kaum das Geld hat, sich und die Seinen satt
zu bekommen«, fügte Braiden hinzu. »Ich glaube nicht,
dass er etwas von einem Mann kauft, der in einem so
schlechten Ruf steht wie dieser Marcus.«
»Weil arme Menschen automatisch ehrliche Menschen
sind?«, fragte Parzifal spöttisch.
»Weil er es sich nicht leisten kann«, erwiderte Braiden
ernst. »Und weil er ein Feigling ist. Ich kenne ihn. Er würde nie etwas tun, wobei auch nur die Gefahr bestünde, sich
Artus’ Zorn zuzuziehen.« Er hob die Schultern.
»Aber meinetwegen. Von Blackmanor aus ist es nur
noch ein halber Tagesritt zurück nach Camelot.«
Und das war genau der Punkt, aus dem Lancelot diesen Ort vorgeschlagen hatte. Anders als Braiden kannte er den
Besitzer von Blackmanor Castle nicht, aber auch er war
fest davon überzeugt, dass es keinen Zweck hatte, zu dritt
einer vier Wochen alten Spur zu folgen, die noch dazu mit
einer Wahrscheinlichkeit von eins zu zwölf falsch war.
Aber er wollte so schnell wie möglich zurück nach Camelot.
Und zurück zu Gwinneth.
»Wir haben morgen einen langen Ritt vor uns«, fuhr
Braiden mit einem leicht mürrischen Blick in Lancelots
Richtung fort, einem Blick, der wohl sagte, er solle sich
unterstehen, noch einmal ein so kräfteverzehrendes Tempo
wie heute vorzulegen. »Ich ziehe mich jetzt zurück und Ihr
solltet dasselbe tun. Gute Nacht, die Herren.« Er ging,
drehte sich nach ein paar Schritten noch einmal herum und
kam zurück, um den einzelnen Panzerhandschuh zu holen,
den er auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Außerhalb
Camelots sah man ihn selten ohne diesen rechten, leeren
Handschuh, den er an seinem Armstumpf befestigte und
so geschickt zu bewegen gelernt hatte, dass man schon
sehr genau hinsehen musste um zu erkennen, dass er
nichts enthielt außer fest hineingepresstes Stroh, das die
Finger stabilisierte.
Lancelot war schon erstaunt gewesen, dass er ihn überhaupt zum Essen abgelegt hatte; aber vielleicht war das
nur ein Zeichen dafür, wie erschöpft er war.
Braiden ging die Treppe hinauf, die ins Dachgeschoss
und zu dem einzigen Gästezimmer führte, über das das
Wirtshaus verfügte, aber Parzifal machte keine Anstalten,
sich zu erheben. Er sah Lancelot an und Lancelot spürte
genau, dass er auf das Geräusch wartete, mit dem Braiden
die Tür oben hinter sich schließen würde. Parzifal wollte
etwas von ihm. Etwas Bestimmtes, von dem er nicht wollte, dass Braiden es erfuhr.
Nachdem das dumpfe Geräusch erklungen war, auf das
Parzifal gewartet hatte, richtete er sich ein wenig auf und
sah Lancelot mit plötzlich völlig verändertem Ausdruck
an.
»Was?«,
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