Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
mich nicht sehr täuschen. Das sollten wir uns zumindest genauer ansehen.«
Der Berghang stieg an dieser Stelle nicht allzu steil an und war so zerklüftet, dass Barlok fast wie auf einer Treppe hinaufsteigen konnte. Er brauchte kaum eine Minute, bis er die Öffnung erreichte. Tatsächlich erwies sie sich als ein schmales, dafür jedoch gut mannshohes Loch im Gestein. Barlok wünschte, er hätte eine Fackel, doch es gab nirgendwo Holz oder etwas anderes Brennbares in der Nähe. So lauschte er einige Sekunden, und erst als er keinerlei Geräusch vernahm, das darauf hindeutete, dass sich irgendetwas Lebendes in der Höhle befand, zwängte er sich schließlich hinein.
Durch den Eingang drang kaum Licht. Halb blind tastete er sich vorwärts. Die Höhle war kaum einen Meter breit und nur wenige Schritte tief, ehe sie an einer Felswand endete, aber für eine Nacht würde sie ihnen genügend Platz und vor allem Schutz vor feindseligen Blicken gewähren.
Barlok kehrte um und winkte Thalinuel zu. Geschickt kletterte sie die Felsen herauf und stand kurz darauf neben ihm.
»Nicht gerade ein Palast, aber besser als nichts«, kommentierte er. »Ich hoffe, hier werden wir für die nächsten Stunden sicher sein.«
So gut es ging, machten sie es sich auf dem harten Felsboden bequem.
»Du erinnerst dich inzwischen wieder, wer du bist und woher du kommst, und vor allem an den Krieg, den dein Volk gegen die Thir-Ailith geführt hat«, sagte Thalinuel. »Die Dunkelelben, so habt ihr sie genannt – und diese Bezeichnung scheint mir sehr zutreffend, denn obwohl viele von ihnen so wie ich einst hehre Ziele verfolgt haben, wurden sie betrogen und haben sich schließlich auf einen dunklen, unheilvollen Pfad begeben. Ich weiß, was in dir vorgeht. Seit wir das Tor verlassen haben, steht es dir überdeutlich ins Gesicht geschrieben.«
»Und das wäre?«, fragte Barlok verblüfft.
»Die Thir-Ailith haben sich mit schrecklichen Mächten eingelassen, mit deren Unterstützung sie dein Volk fast ausgelöscht hätten, und du weißt von mir, dass ich einst zu ihnen gehört habe. Jetzt fragst du dich, ob du mir wirklich vertrauen kannst. Aber du weißt noch lange nicht alles, was damals geschah …«
Thalinuels Geschichte, Januar 11658 alter Zeitrechnung der Elben
Die Stadt platzte aus allen Nähten.
Schon als Thalinuel vor gut einem Monat aus Talarien aufgebrochen war, war die Situation kritisch gewesen. Was sie jedoch nun bei ihrer Rückkehr vorfand, war schlichtweg katastrophal. Zwar waren rings um die Stadt riesige Zeltlager errichtet worden, doch selbst dort herrschte qualvolle Enge.
Noch schlimmer war es in der Stadt selbst. Trotz der breiten Straßen war das Gedränge so dicht, dass es stellenweise kaum ein Durchkommen gab. Eine fast spürbare Gereiztheit lag in der Luft, etwas, das es beim Zusammenleben von Elben normalerweise niemals gab.
In seinem blinden, schon geradezu zur Besessenheit gewordenen Bemühen, sich mit den jüngeren Völkern auszusöhnen und gewaltfrei den Frieden zu erhalten, hatte König Lotharon einen verhängnisvollen Fehler begangen. Einen Fehler, der das Volk der Elben bereits gespalten hatte und es möglicherweise sogar völlig zerreißen würde.
Zweifellos bildeten Frieden und ein freundschaftliches Verhältnis im Umgang mit anderen Völkern wichtige elbische Ideale, da sie Werte der Ordnung und des Lichts darstellten, denen sie dienten. Lange Zeit hatte sich das Miteinander ja auch so gestaltet. Sie waren Lehrer der jüngeren Völker gewesen und hatten ihr Wissen mit ihnen geteilt, wodurch sie ihnen eine viel schnellere und friedlichere Entwicklung ermöglicht hatten, als sie aus eigener Kraft hätten erreichen können.
Im Laufe der letzten Jahre aber hatte sich das alles geändert und seit einigen Monaten auf einen traurigen Höhepunkt hin entwickelt. Die jüngeren Völker, allen voran die Menschen, hatten die Hilfe der Elben nicht länger als Geschenk, sondern als Bevormundung empfunden und sich von ihnen losgesagt, um ihren eigenen Weg zu gehen. Als Folge davon hatte es Überfälle gegeben, und an zahlreichen Orten war es zu Feindseligkeiten bis hin zu kriegsartigen Übergriffen gekommen, bis kein Elb es mehr wagen konnte, ohne Schutz umherzuziehen.
Ein unhaltbarer Zustand, der so nicht länger hinzunehmen war, doch König Lotharon hatte die Realität nicht wahrhaben wollen. Er war untätig geblieben und hatte weiterhin auf eine friedliche Lösung gehofft. Erst Fürst Molakan, der Hüter der Türme
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