Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
die Fähigkeit, es so zu beeinflussen, dass es euch an ein bestimmtes Ziel bringen würde. Ihr könntet sonstwo landen, aber mit größter Wahrscheinlichkeit nicht in eurer eigenen Welt.«
»Und wir wissen nicht, was womöglich von der anderen Seite durch das offene Tor herüberkommen würde«, ergänzte Thalinuel. »Obwohl es wohl kaum noch schlimmer werden kann.«
»So einfach kann man das nicht behaupten.« Alanion beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Wie ich schon sagte, sind wir nur Wenige hier, und es bleibt uns nicht viel anderes übrig, als uns versteckt zu halten. Aber weiter im Süden sieht es anders aus. Unsere Heere haben bereits mehrere große Siege über die Horden der Finsternis erzielt. Der Ausgang dieses Krieges ist noch völlig offen, es sieht gar nicht einmal schlecht für uns aus. Zwei Schwerter mehr werden ihn nicht entscheiden, dennoch wären zwei erfahrene Kämpfer wie ihr eine willkommene Verstärkung, wenn ihr euch entscheiden würdet, euch uns anzu…«
»Moment mal!« Mit wachsendem Unmut hatte Barlok zugehört, nun machte er seinem Ärger Luft. Donnernd ließ er seine Faust auf den Tisch niedersausen. Die Gespräche an den anderen Tischen verstummten, alle Blicke wandten sich ihm zu, doch er beachtete sie nicht. »Das klingt, als wäre es bereits beschlossene Sache, dass wir uns mit unserer Lage einfach so abfinden. Zumindest für mich gilt das jedoch absolut nicht. Ich gehöre nicht hierher! Mein Volk braucht mich. Ich habe mit eurem Krieg nichts zu schaffen, und ich werde nicht eher ruhen, bis ich einen Weg zurück gefunden habe!«
Thalinuel legte ihm besänftigend die Hand auf den Arm.
»Barlok, ich weiß, wie schwer das für dich sein muss, aber …«
»Nichts weißt du!«, fiel er ihr ins Wort. »Selbst in unserer Welt ist die Zeit, aus der du stammst, längst vergangen. Für dich wäre es so oder so eine gänzlich fremde Umgebung. Außerdem bist du hier unter deinesgleichen. Ich aber werde ganz gewiss nicht den Rest meines Lebens unter Elben verbringen!«
»Und wie viel Zeit mag wohl in unserer Welt vergangen sein, seit du in das Tor gestürzt bist?«, fragte Thalinuel ruhig. »Hast du daran schon mal gedacht? Es können wenige Monate sein, aber es können auch Jahrtausende sein, so wie bei mir. Niemand von uns weiß, welches Jahr man dort inzwischen schreibt. Möglicherweise existiert selbst Elan-Dhor in dieser Zeit nur mehr als eine blasse Erinnerung aus ferner Vergangenheit.«
Ihre Worte trafen Barlok wie ein Schlag. Das war ein Aspekt, den er in der Tat bislang noch gar nicht bedacht hatte. Bestürzt senkte er den Kopf.
An einem weiter entfernten Tisch stimmte einer der Elben ein Lied an. Andere fielen mit ein. Mit glockenhellen Stimmen sangen sie über einen Elbenfürsten, der seine Liebste verließ, um gegen die Horden des Bösen in die Schlacht zu ziehen. Er tötete Unzählige von ihnen, ehe ein Pfeil aus dem Hinterhalt ihn zu Fall brachte. Die schwermütige Ballade endete mit dem Wind, der über den immergrünen Hügel strich, unter dem er seine letzte Ruhestätte fand, während sein Sohn heranwuchs, um einst das Werk seines Vaters zu vollenden.
Obwohl er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war, rührte das Lied Barlok an, und er konnte nicht anders, als hinzuhören.
»Wir sind alle nur Werkzeuge der Götter, die ihre Aufgabe zu erfüllen haben«, sagte Alanion, nachdem der letzte Ton verklungen war und die Gespräche an den Tischen leise wieder aufgenommen wurden. »Und wenn wir dereinst ins große Nichts eintreten und den endlosen Schlaf beginnen, können wir nur hoffen, dass wir unser Werk so gut getan haben, dass sich die, die nach uns kommen, unser in Liedern und Geschichten erinnern.«
»Und dass wir nicht allein und heimatlos in einer unbekannten Fremde sterben«, fügte Barlok bitter hinzu.
Alanion musterte ihn einige Sekunden lang.
»Vielleicht vermag dies dich zu trösten: Es gibt auch in unserer Welt Zwerge, wie sich dein Volk nennt, obwohl ich selbst noch keinen gesehen habe. Ein primitives Volk, wie du schon gehört hast, weit hinter dem Entwicklungsstand zurück, den ihr bei euch offenbar erreicht habt. Du könntest dich ihrer annehmen und sie anleiten, wenn du nicht bei uns leben willst.«
Barlok zögerte. In seinen Gedanken herrschte nur noch Chaos. Die Erkenntnis, dass seine Welt eine völlig andere geworden sein könnte, selbst wenn es eine Möglichkeit zur Rückkehr gäbe, hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen und ihn völlig
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