Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
zu.
»Was ist los?« Selbst in seinen Augen entdeckte sie den verderblichen Glanz, die Genugtuung über das, was die Menschen sich in ihrer Verblendung gegenseitig antaten, und den militärischen Sieg, den ihr Volk im Begriff stand zu erringen.
»Verilon, komm zu dir!«, beschwor sie ihn. »Wir müssen diesen Wahnsinn beenden, oder wir sind alle verloren!«
»Verloren?«, echote er verständnislos. »Die Schlacht hat sich zu unseren Gunsten gewendet, siehst du das denn nicht? Die schwere Kavallerie unserer Feinde ist dabei, sich selbst auszulöschen. Der Sieg ist unser!«
»Aber um welchen Preis? Erkennst du denn nicht, dass wir nicht nur die Menschen dazu veranlassen, sich gegenseitig umzubringen, sondern auch alles töten, wofür wir stehen und was uns zu Dienern des Lichts macht? Wir wenden uns von den Göttern ab, die uns geschaffen haben, und dienen den Mächten des …«
Sie verstummte, als sie erkannte, dass sie nicht zu ihm durchdrang. Zu fest hielt ihn die Finsternis bereits in ihren Klauen. Er blickte sie nicht einmal mehr an, sondern verfolgte weiter das Gemetzel innerhalb der Wolke.
Bin ich denn wirklich die Einzige, die das Verderben erkennt, in das wir uns stürzen? , fragte sie sich von hilfloser Verzweiflung erfüllt.
Sie sprang von ihrem Pferd und wollte zu Molakan und den anderen Magiern hinübereilen, doch auf halber Strecke stellten sich ihr mehrere Krieger aus seiner persönlichen Garde in den Weg.
»Halt! Wir haben ausdrücklichen Befehl, niemanden durchzulassen«, erklärte einer von ihnen. »Die Beschwörung darf unter keinen Umständen gestört werden.«
Voller ohnmächtigem Zorn war Thalinuel einen Moment lang versucht, ihr Schwert zu ziehen und sich mit Gewalt den Durchlass zu erzwingen. Gleich darauf erschrak sie über sich selbst, dass sie so etwas auch nur denken konnte. Auch dies war bereits eine Folge des düsteren Einflusses, dem nicht einmal sie sich völlig entziehen konnte.
Abrupt wandte sie sich ab.
Der Kampf innerhalb der Wolke näherte sich mittlerweile seinem Ende. Von anfangs über viertausend waren nur wenige hundert Kavalleristen überhaupt noch kampffähig, und ihre Zahl verringerte sich beständig weiter. Noch immer waren sie nicht in der Lage, die Täuschung zu durchschauen, sondern kämpften mit unveränderter Verbissenheit gegeneinander.
In König Hollans Heer war Chaos eingekehrt, das war selbst aus der Ferne zu erkennen. Schon die magische Wolke allein hatte unter den Soldaten Angst und Schrecken ausgelöst, und nun mussten sie auch noch mitansehen, wie ihre stärksten Kämpfer sich gegenseitig niedermachten, statt den Feind zu bekämpfen.
Panik griff um sich. Zahlreiche Soldaten hatten ihre Reihen bereits verlassen und waren geflohen. Niemand hielt die Deserteure auf. Das gesamte Heer befand sich in Auflösung, wurde nur noch von einem Rest an Disziplin und Pflichtbewusstsein zusammengehalten, aber selbst die, die noch standhielten, waren zutiefst demoralisiert. Vermutlich wären sie nicht mehr in der Lage gewesen, viel Widerstand zu leisten, wenn Olvarian jetzt einen Angriff befohlen hätte, doch damit ließ er sich noch Zeit.
Am besten erging es vermutlich noch den hinter dem Heer postierten Fußtruppen, die das Gemetzel wenigstens nicht mitansehen mussten.
Die schwarze Kugel stieg wieder höher und schwebte auf das Elbenheer zu. Gleichzeitig begann die Wolke sich aufzulösen. Die zuletzt ohnehin nur noch grauen Schwaden verloren noch mehr an Farbe, wurden vom Wind auseinandergetrieben und zerfaserten in der Luft. Das Waffengeklirr verstummte. Dafür klangen Entsetzensschreie von den höchstens noch zweihundert gepanzerten Reitern herüber, als sie erkannten, dass es sich bei den zahlreichen Toten und Verletzten um sie herum ausschließlich um ihre eigenen Kameraden handelte, und vor allem, als sie allmählich begriffen, dass sie selbst diejenigen waren, die sie auf dem Gewissen hatten.
Von namenlosem Schrecken getrieben, preschten sie zurück zu ihrem Heer.
Die schwarze Kugel schwebte währenddessen auf den Wagen zu, mit dem sie hergebracht worden war, und ließ sich wieder darauf nieder. Im gleichen Moment brachen die meisten Magier bewusstlos zusammen. Sofort eilten einige Heiler herbei, die an der Beschwörung nicht teilgenommen hatten, um sich um sie zu kümmern.
Molakan war einer der Wenigen, die auf den Beinen geblieben waren. Mühsam und gebeugt wie ein alter Mann kam er zu ihnen herübergeschlurft. Thalinuel erschrak, als sie ihn aus der
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