Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
seinen Schritt zu beschleunigen, kam der Fremde näher und blieb unmittelbar vor ihm stehen.
»Wer seid Ihr, und was führt Euch nach Zarkhadul?«, fragte Tolar und blickte ein wenig beklommen zu ihm hinauf. Der Unbekannte war in der Tat kräftig und selbst für einen Menschen groß, und er war nicht nur seltsam, wie Tolar ihn zuvor noch beschrieben hatte, sondern fast unheimlich. Etwas Düsteres ging von ihm aus. Tolar verspürte keine Angst vor einem einzelnen Mann, doch war er froh, die beiden anderen Krieger hinter sich zu wissen.
Langsam hob der Fremde die Hände und schlug die Kapuze zurück. Ein hartes, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht kam darunter zum Vorschein. Dunkle, vom Regen strähnig gewordene Haare hingen ihm tief in die Stirn.
»Ich bin schon freundlicher empfangen worden, aber Ihr tut gut daran, wachsam zu sein«, sagte er. »Ich bringe wichtige Kunde für Kriegsmeister Warlon und muss ihn unverzüglich sprechen. Mein Name ist Malcorion.«
Kampfführer Ralor war stolz, dass man ihm das Kommando über die von Elan-Dhor und Zarkhadul ausgesandten Krieger übertragen hatte, obwohl er wusste, dass er sie nicht in den Kampf führen würde. Dennoch war es eine Abwechslung von der Monotonie.
Natürlich war es eine äußerst erfreuliche Entwicklung, dass es in der Tiefenwelt seit dem Sieg über die Thir-Ailith so gut wie keine kämpferischen Auseinandersetzungen mehr gab. Der Waffenstillstand mit den Goblins, die früher immer wieder Überfälle durchgeführt hatten, hielt ununterbrochen an. Die Gnome hatten unter den Dunkelelben, die jedes fremde Leben auszulöschen versucht hatten, schwer zu leiden gehabt. Viele waren getötet worden, und die meisten Überlebenden hatten sich in abgelegene Bereiche weit entfernt von den Minen der Zwerge zurückgezogen. Einzig die Schrate stellten nach wie vor eine Plage dar, doch bildeten sie keine Gefahr, da sie von Natur aus eher diebisch veranlagt waren und nur selten offene Überfälle auf die weit überlegenen Zwerge verübten.
Selbst die meisten Zarkhane und anderen gefährlichen Ungeheuer in den Tiefen der Erde waren von den Thir-Ailith abgeschlachtet worden – der einzige Vorteil ihrer kurzzeitigen Terrorherrschaft über die Welt unter dem Schattengebirge.
Die Kehrseite war, dass längst nicht mehr so viele Krieger wie früher benötigt wurden. Ihr Ansehen war gesunken, und es wurden sogar bereits vereinzelte Stimmen laut, die eine Verkleinerung ihrer Kaste forderten. Mit dieser neuen Mission, auch wenn es kein Kampfeinsatz war, konnten sie die Wichtigkeit eines starken Heeres endlich wieder einmal unter Beweis stellen.
Ralor blickte sich um. Die Berge lagen bereits ein gutes Stück hinter ihnen. Viele Jahrhunderte lang hatte kaum ein Zwerg seinen Fuß an die Oberfläche gesetzt. Erst als Elan-Dhor von den Dunkelelben überrannt worden war, hatten sie keine andere Wahl als die Flucht dorthin gehabt. Nicht zuletzt wegen der Auseinandersetzungen mit den umliegenden Menschendörfern war es keine sonderlich angenehme Erfahrung gewesen. Zusammen mit der Tatsache, dass sie nun einen eigenen kleinen Streifen Land außerhalb des Gebirges besaßen, der bewacht werden musste, hatte dies dennoch dafür gesorgt, dass viele Zwerge keine so tiefe Abneigung mehr gegen die zuvor nur als feindselig und abstoßend betrachtete Oberfläche hegten.
Am Mittag des zweiten Tages nach ihrem Aufbruch, als sie nur noch wenige Meilen vom lartronischen Heerlager entfernt waren, ordnete Ralor eine Rast an. Sie mussten fast drei Stunden warten, bis sich ihnen aus Nordosten eine große Staubwolke näherte. Ein weiterer Heerzug kam von dort mit klirrenden Rüstungen heranmarschiert und vereinte sich schließlich mit ihnen: die viertausend Zwergenkrieger aus Zarkhadul. Da sie den deutlich weiteren Weg zurückzulegen hatten, waren sie bereits lange vor den Zwergen aus Elan-Dhor aufgebrochen.
Es gab eine fröhliche Begrüßung. Viele der Soldaten hatten einst selbst zu den Streitkräften von Elan-Dhor gehört, ehe sie nach Zarkhadul übergesiedelt waren, hatten ihre ehemaligen Kameraden jedoch zum Teil schon lange nicht mehr gesehen.
Auch deshalb hielt Ralor diese Mission für wichtig, weil sie von den Kriegern der beiden Minen zusammen durchgeführt wurde und die Bande untereinander wieder stärken würde. Vereinzelt hatten in den vergangenen Jahren gemeinsame Wehrübungen stattgefunden, und natürlich gab es immer wieder gegenseitige Besuche, dennoch begannen die beiden
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