Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
töten«, sagte Svenya.
»Aber beweisen, wie schwach du bist.«
»Ich betrachte es nicht als Schwäche, nicht zu kämpfen, nur weil du kämpfen willst.«
»Der Rest der Welt sieht das anders.«
»Der Rest der Welt geht mir am Arsch vorbei.«
»Es ist dir also egal, was andere von dir denken?«
»Yep. Total egal.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Yrr, legte die Pistole auf den Berg ihrer Rüstung, trat zu Svenya hin und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht.
Svenya torkelte nach hinten und leckte sich das Blut von den Lippen. »Und? Hat dir das jetzt irgendetwas gebracht?«, fragte sie nüchtern.
Yrr knurrte auf vor Wut, kam wieder auf sie zu und schlug Svenya noch einmal. Noch fester als eben.
Svenya hatte das Gefühl, ihr Jochbein würde brechen, und sie sah für einen kurzen Moment Sternchen. »Jetzt besser?«, fragte sie.
Yrr schlug ein drittes Mal zu, und Svenya sackte in die Knie. »Bring es hinter dich«, sagte sie leise.
»Ich will, dass du dich wehrst!«, schrie Yrr. »Wehr dich, verdammt nochmal!«
»Darauf kannst du lange warten.« Svenya rappelte sich wieder auf und kam auf die Füße.
»Dann werde ich dich töten«, sagte Yrr.
»Nein«, erwiderte Svenya. »Wirst du nicht.« Sie sah den Zorn in Yrrs Augen, die Wut und auch Hass – aber da war kein Wahnsinn. »Dein Vater würde dir das nie verzeihen, und das Risiko gehst du nicht ein. Egal, wie sehr du mich hassen magst. Und nur zu kämpfen, damit du dein Ego befriedigen kannst, ehe du mich an Hagen auslieferst, werde ich nicht.«
»Wofür bist du dann bereit zu kämpfen, wenn nicht für die Ehre oder dein Volk?«
»Moment«, sagte Svenya barsch. »Ich war bereit, für euch … für uns zu kämpfen … aber nicht, für uns zu morden! Und wenn du mich fragst, wofür ich noch bereit bin zu kämpfen, dann ist die Antwort simpel: dafür, wofür ich schon die ganze gottverdammte Nacht kämpfe – die Freiheit. Aber die bietest du mir nicht als Preis an, für den Fall, dass ich gewinne, weil du das nicht kannst. Weil du es nicht darfst. Weil es dein Job ist, mich zurückzubringen. Und falls ich dich hier drin besiegen würde, warten da draußen schon deine Kumpaninnen, um zu verhindern, dass ich fliehe. Warum also sollte ich kämpfen? Ich habe nichts zu gewinnen.«
Yrr machte zwei Schritte zurück. »Du würdest kämpfen, wenn ich dir als Siegespreis die Freiheit verspräche?«
»Das kannst du wohl glauben.«
»Gut«, sagte Yrr. »Dann tue ich das. Ich verspreche dir, dass du frei von hier fortgehen kannst, falls du mich besiegst.«
»Die Befugnis hast du nicht«, sagte Svenya. »Es würde dich deinen Job kosten.«
»Erstens«, erwiderte Yrr, »bin ich meinen Job bereits los, zweitens sind wir hier ganz allein – da draußen wartet niemand darauf, dich abzufangen – und drittens weiß ich, dass ich die Stärkere und Bessere von uns beiden bin und überhaupt kein Risiko eingehe, wenn ich dir die Freiheit verspreche für den Sieg … weil du niemals gegen mich siegen kannst.«
»Wenn ich siege, bin ich frei, sagst du?«
»Mein Ehrenwort darauf.«
»Also gut. Dann kämpfe ich. Die Regeln?«
»Keine Regeln.«
»Wie entscheiden wir, wer gewonnen hat?«
»Wer bewusstlos wird oder aufgibt, hat verloren.«
»Gut«, sagte Svenya. »Aber gib mir vorher zu trinken.«
»Warum?«
»Weil du gleiche Chancen für uns beide willst«, erwiderte Svenya. »Und im Moment bringt mein Durst mich um.«
»Du glaubst wirklich, es macht einen Unterschied?«, fragte Yrr spöttisch.
»Keine Ahnung, aber ich bin am Verdursten.«
»Das ist kein Trick, oder? Wie das mit den Türen und dem Durchzug in deinem Palast?«
»Kein Trick. Mein Ehrenwort.«
Yrr zögerte einen Moment, aber dann ging sie zu ihrer Rüstung und holte eine kleine Feldflasche hervor. Als sie sie Svenya reichte, beobachtete sie jede ihrer Bewegungen lauernd. Offensichtlich galt Svenyas Ehrenwort in ihren Augen weniger als ihr eigenes.
Svenya nahm die Flasche und trank.
»Fencheltee?«, fragte sie überrascht. »Gesüßt?«
Yrr zog eine Schnute. »Was dagegen? Ich mag Fencheltee.«
Svenya unterdrückte ein Schmunzeln und leerte die Flasche in einem Zug. Sie mochte gesüßten Fencheltee ebenfalls – aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen, als das zuzugeben. Fencheltee war Babytee – basta!
Sie gab Yrr die Feldflasche zurück, und die warf sie achtlos zur Seite, wohl um zu demonstrieren, dass sie sie jetzt, da Svenya daraus getrunken hatte, nie wieder benutzen
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