Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Yrrs Handgelenke loszulassen. Sie verschränkte damit Yrrs Arme über Kreuz, riss sie nach unten, und Yrr schrie auf vor Schmerz. Svenya rammte ihr mit voller Wucht die Stirn auf den Nasenrücken, und als die blonde Kriegerin dadurch in sich zusammensackte, rammte sie ihr das Knie von unten hart gegen das Kinn. Yrr wurde nach hinten geschleudert und landete auf ihrer eigenen Rüstung, wo sie um Orientierung kämpfte und versuchte, sich wieder aufzurappeln. Doch sie war zu sehr angeschlagen, und ihre beinahe ausgekugelten Arme verweigerten ihr den Dienst, so dass sie wieder zurückfiel.
»Der Kampf ist vorbei«, stellte Svenya fest.
»Ist er nicht«, lallte Yrr benommen.
»Ich habe gewonnen.«
»Ich bin nicht bewusstlos … und ich habe auch nicht aufgegeben.«
»Wie du meinst.« Svenya zuckte die Achseln, drehte sich um und wollte gehen.
»Wenn du jetzt gehst, werde ich dich weiter jagen«, keifte Yrr schwach und versuchte zum wiederholten Male aufzustehen. Jedoch ohne Erfolg.
»Du weißt einfach nicht, wann es genug ist, Yrr.«
»Es ist erst genug, wenn einer von uns beiden ohne Bewusstsein ist oder aufgibt.«
»Wem willst du jetzt noch etwas beweisen?«, fragte Svenya. Sie empfand auf einmal Mitleid mit Yrr.
»Ich fordere von d…«
»Was?«, unterbrach Svenya sie barsch. »Du liegst am Boden und stellst Forderungen? Ich bin stärker, Yrr. Du hast das bezweifelt, und es stellt sich heraus, du hast dich geirrt. Wir beide haben uns geirrt. Und ich werde mich jetzt nicht an einer Wehrlosen vergreifen und dich k.o. schlagen, nur damit du das endlich auch akzeptierst. Ich ließ schon deinen Vater mich nicht zu einem Monster machen, und dir gestatte ich das ebenso wenig.«
»Ein Kampf geht bis zum bitteren Ende.«
»Unter Feinden, ja«, sagte Svenya. »Aber du bist nicht meine Feindin.«
»Oh doch!«
»Das glaubst du nur«, entgegnete Svenya. »Okay, ich mag dich nicht. Kein Stück. Ich finde dich sogar ausgesprochen zum Kotzen, aber zu meiner Feindin macht dich das noch lange nicht.«
Keuchend gelang es Yrr, nun doch aufzustehen. Sie schwankte auf Svenya zu. Trotz der Schmerzen in der Schulter holte sie mit der Faust aus … aber es fiel Svenya nicht schwer, dem Schwinger durch einen Seitwärtsschritt auszuweichen. Yrr stolperte, und Svenya fing sie auf.
»Erkenne deine Niederlage an, und versprich mir, mich nicht zu jagen.«
Yrr wandt sich frei. Ihr Blick sprühte vor Hass. »Bring es zu Ende!«
»Es ist zu Ende.«
»Feigling!«
Svenya holte tief Luft. »Denk, was du willst. Ich gehe. Wenn du glaubst, mich weiter jagen zu müssen, dann tu das. Das betrachte ich dann aber als Bedrohung meiner Existenz.«
»Dann wird unser nächster Kampf ein Kampf um Leben und Tod.«
»Wenn dir so viel daran liegt, dich mir zur Feindin zu machen – dann ja.« Svenya drehte sich ein drittes Mal um und ging nun endlich zur Tür hinaus.
Draußen stand Hagen – mit einem halben Dutzend Elbenkriegern.
Als er sah, dass Svenya nackt war, nahm er seinen Umhang ab und legte in ihr über die Schultern. Was aber ihre Überraschung noch größer machte als ihren Schock war die Tatsache, dass er lächelte.
46
Den ganzen Weg von den alten Kerkern direkt unter Dresden bis hinunter zur Festung in der Höhle sprachen sie kein Wort. Nicht, dass Svenya nicht gefragt hätte, was jetzt mit ihr geschehen würde – aber Hagen hatte nur weiter gelächelt und geschwiegen. Svenya fühlte einen Klumpen im Hals und den hilflosen Zorn im Bauch, den man verspürt, wenn man feststellt, dass alle Bemühungen vergeblich waren und man sich im Kreis gedreht hat. Da waren keine Resignation und auch kein Selbstmitleid – Svenya wusste, dass sie es bei nächster Gelegenheit noch einmal ganz genauso machen würde. Ob das Sturheit war, Ausdauer oder schierer Wahnsinn, sollten andere beurteilen. Für Svenya war das beschlossene Sache – ein Ziel, das sie fassen konnte und musste, um nicht vor Enttäuschung und Erschöpfung zusammenzubrechen. Yrr hingegen machte eher einen verwirrten Eindruck. In dem Moment, in dem Hagen vor ihr gestanden hatte, hatte Svenya geglaubt, er mache mit seiner Tochter gemeinsame Sache, aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass Yrr ebenso eine Gefangene war wie sie selbst. Auch sie trug in Ermangelung ihrer Kleidung und Rüstung das Cape eines der Krieger, während sie mit dem leise sirrenden Aufzug nach unten fuhren, und starrte mit gesenktem Blick zwischen ihre nackten Füße.
Der Lift hielt, und sie traten
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