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Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Titel: Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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würde.
    Oh Himmel!, dachte Svenya. Woher stammt nur all dieses Pathos? Yrr benahm sich aus ihrer Sicht wie eine Mischung aus Operndiva und einem Mafia-Straßenschläger aus den Zeiten des Film-Noir. Etepetete ohne Ende und gleichzeitig getrieben von einem Moralkodex, der nur aus dem Theater, aber nicht aus dem Alltag stammen konnte. Vielleicht war das normal, wenn man als Tochter des berühmten Hagen von Tronje aufgewachsen war. Oder auch der Preis.
    »Bereit?«, fragte Yrr.
    Svenya sog die Luft tief ein und nickte dann. Die Schmerzen in ihren Muskeln und Knochen waren weg – abgesehen von den jüngeren, die Yrrs Schläge ihr zugefügt hatten, und ihr Durst war fürs Erste gestillt.
    Yrr ging in Kampfposition – die nackten Füße auf Schulterbreite auseinandergestellt, die Knie gebeugt, Oberkörper leicht nach vorne, die mit langen, scharfen Fingernägeln bewehrten Hände leicht geöffnet, aber angespannt. Sie bleckte ihre Fangzähne und fauchte wie eine Raubkatze. Wohl ihre Art, das Adrenalin in die Blutbahn zu jagen.
    Svenya widerstand einem Impuls, es ihr gleichzutun und stand einfach nur da.
    »Worauf wartest du?«, zischte Yrr.
    »Auf dich«, sagte Svenya. Sie merkte, dass ihre Stimme mindestens eine halbe Oktave tiefer geworden war … und gefährlich leise. Jetzt, da der Kampf einen Preis hatte, der für sie Sinn machte, würde sie ihn führen – wie alle Kämpfe ihres bisherigen Lebens … defensiv, aber mit der Konsequenz der Notwendigkeit.
    »Greif an«, knurrte Yrr.
    Svenya schwieg und blieb auf ihrem Platz. So stoisch, wie sie wirkte, war sie jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: Ihr Puls raste – nicht aus Angst, sondern vor Erwartung. Der Teil ihrer Angst, der sie früher gelähmt hatte, war zusammen mit dem Leviathan gestorben; jetzt existierte nur noch der, der sie wachsam sein ließ und hochkonzentriert.
    Svenya ließ Yrr nicht einen Sekundenbruchteil aus den Augen, auch nicht, als diese jetzt begann, mit langsam und gezielt gesetzten Seitwärtsschritten einen Halbkreis um Svenya zu beschreiben.
    Svenya drehte sich langsam mit ihr mit, immer darauf achtend, dass sie sich mit ihren eigenen Füßen nicht in den Weg kam. Yrr zu beobachten, hatte etwas Faszinierendes, wenn nicht sogar Hypnotisches. Die wunderschöne Elbin mit dem makellosen Körper bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Leopardin beim Anschleichen; nur war sie, wie Svenya nur allzu gut wusste, noch sehr viel gefährlicher. Man konnte oder wollte kaum glauben, dass dieses Wesen in einer Höhlenfestung wie Elbenthal geboren und unter strengem Reglement aufgewachsen war. Sie gehörte in die freie Wildbahn … in einen dichten Wald oder einen tropischen Dschungel, wo all das, wovon sie glaubte, dass es sie ausmachte – ihr Pflichbewusstsein, ihr Ehrenkodex, ihre Disziplin –, gänzlich ohne Belang war. In die freie Wildbahn, wo sie nur überleben würde, wenn sie ihren Instinkten freien Lauf lassen und ihnen folgen würde. So, wie Yrr ihr jetzt gegenüberstand, stellte Svenya sich die ersten, die ursprünglichen Elben vor … wild und ungezähmt … eins mit der Natur. Gefühle über Gesetze, Instinkte über Moral, schnelle Entscheidungen aus dem Bauch heraus – mindestens ebenso wertvoll wie abwägende Überlegungen … wenn nicht gar wertvoller. In Elbenthal war Yrr – wenigstens bis vor Kurzem – eine Soldatin, im Dschungel wäre sie eine Göttin.
    »Wenn du dich nicht endlich bereit machst zu kämpfen, verlierst du gleich bei der ersten Attacke«, grollte Yrr, der Svenyas scheinbare Passivität offenbar auf die Nerven ging.
    »Wenn du dir dessen so sicher bist, greif doch einfach an und bring es hinter dich«, entgegnete Svenya.
    »Hast du denn in der ganzen Zeit des Trainings nichts gelernt?«
    »Das werden wir wohl gleich sehen.« Man sagt zwar gerne und oft, Angriff sei die beste Verteidigung, aber Svenya hatte in zahlreichen Kämpfen auf der Straße gelernt, dass nicht selten derjenige verliert, der den ersten Schritt macht. Das war der einzige Grund, warum sie wartete. Das und natürlich die Tatsache, dass sie Yrr damit weiterhin aus der Fassung brachte, und ein Gegner, der die Nerven verliert, ist ein leichter Gegner.
    Dann endlich war es soweit – Yrr sprang mit einem lauten Kampfschrei auf sie zu. Svenya trat blitzschnell zur Seite und stellte ihr das Bein in den Weg. Yrr stolperte und torkelte nach vorne über, aber ehe Svenya nachsetzen und sich auf sie stürzen konnte, hatte sie sich bereits mit

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