Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Bäume. Hunderte von Elben saßen und standen in dieser fantastischen Kulisse und warteten auf ihre Hüterin. Ihre Gewänder und Kostüme waren unglaublich, und schon wieder hatte Svenya das Gefühl, dass sie in ihrem Leben noch nie etwas Schöneres gesehen hatte. Da waren Stoffe, die aussahen wie aus diamantenen Spinnweben geklöppelt, Kleider aus lebenden, bunt schillernden Schmetterlingen, andere aus Laub und Gräsern. Die Elbenkrieger trugen ihre schmucksten Rüstungen aus Gold, Platin und Silber. Dann gab es Gewänder, die aussahen, als bestünden sie aus nichts weiter als Tautropfen oder auch aus Honig. Svenya sah Kleider, die sich bauschten, als würde ein Wind wehen, und Roben, die aus sonnendurchflutetem Nebel gemacht zu sein schienen. Und erst der Schmuck! Svenya war sicher, dass in allen Safes aller Banken auf der Welt nicht so viele Brillanten, Juwelen und Edelsteine verwahrt lagen, wie heute hier unten zur Schau gestellt wurden. Und all das zu ihren Ehren.
»Und ich hatte schon befürchtet, ich sei overdressed«, flüsterte Svenya Yrr zu, die sich beherrschen musste, nicht zu kichern.
Raegnir schlug mit seinem Stock auf den Boden, und obwohl dieser aus Erde war, hallte es laut durch den magischen Wald. Er räusperte sich, und augenblicklich wurde es still. Sogar die Vögel hörten auf zu zwitschern. Ein jeder erhob sich von seinem Platz.
»Hochverehrte Gäste!«, rief der Marschall. Seine Stimme klang trotz seines hohen Alters fest und laut. »Edle Erben der Danann. Söhne und Töchter Alfheims. Ich präsentiere Sven’Ya Svartr’Alp. Bezwingerin des Leviathan Grynd’Nirr. Hüterin Midgards!«
Fanfaren erschollen, und alle Blicke richteten sich auf die Tür. Svenya raffte all ihren Mut zusammen und trat ein. Rasender Applaus und Jubelrufe tosten ihr so laut und überwältigend entgegen, dass sie die Schallwellen beinahe körperlich spüren konnte. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen und verneigte sich. Niemand hatte ihr gesagt, wie sie sich verhalten sollte, es schien Svenya jedoch einfach, das Richtige, das zu tun. Die Jubelrufe schwollen noch weiter an. Doch als sie sich aufrichtete, wurde es schlagartig wieder völlig still. Offenbar wartete man darauf, dass sie etwas sagte. Damit hatte Svenya noch weniger gerechnet als mit der Größe der Feier. Wie ein vom Fuchs gehetzter Hase rasten ihre Gedanken auf der Suche nach Worten durch ihr Hirn – während die Stille immer mehr an ihren Nerven zerrte und ihre Beine immer wackliger wurden. Am liebsten hätte sie ihre Tarnung aktiviert und wäre in ihre Privatgemächer geflohen. Aber Wegrennen war diesmal nicht drin.
Dann, als sie schon dachte, sie müsse in Tränen ausbrechen, kamen die Worte ganz von selbst. Es waren leise ausgesprochene Worte, aber wie durch Zauberei schallten sie durch den ganzen Hain: »Ich hoffe, ich werde mich würdig erweisen.«
Erneut schwappten der Applaus und die Rufe der Begeisterung über sie wie eine Welle. Svenya spürte, wie ihre Wangen glühten – diesmal jedoch vor Freude. Ihre Mundwinkel fanden von ganz allein den Weg nach oben, und der Stolz, der durch sie hindurchfloss, reckte ihren Körper ganz ohne jedes bewusste Zutun. Die Jubelrufe kristallisierten sich zu zwei Silben, die immer und immer wieder und von immer mehr Stimmen skandiert wurden.
»Sven’Ya! Sven’Ya! Sven’ya!«
Ihre Füße nahmen den Takt des Sprechchors auf, und sie schritt erhobenen Hauptes den Pfad vom Eingang bis zu ihrem Platz ganz am anderen Ende des Saales, wo Alberich, Hagen, Wargo und Raik standen und ebenfalls applaudierten. Viele von den Gesichtern, die sie umgaben, kannte Svenya noch nicht, aber es war ein tolles Gefühl zu wissen, dass sie sie alle mit der Zeit kennenlernen würde. Erneut überwältigte sie das Bewusstsein, ewig zu leben und für solche Dinge alle Zeit der Welt zu haben, so stark, als hätte sie die Nachricht davon eben erst erhalten. Noch stärker, noch überwältigender aber war die durch den herzlichen Empfang deutliche Erkenntnis, endlich ein Zuhause gefunden zu haben … und eine Familie. Und was für ein Zuhause – was für eine Familie! Svenya versuchte erst gar nicht, die Tränen der Freude, die ihr in die Augen stiegen, zu unterdrücken, und hoffte nur, dass ihr Make-up nicht verwischte. Sie musste lachen.
Scheiß drauf! Ich werde mich nicht fürs Glücklichsein schämen.
Sie erreichte König Alberich und kniete instinktiv vor ihm nieder – eben weil auch das in diesem Moment einfach das
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