Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Richtige war. Ihre Trotzigkeit und Dreistigkeit, die sie noch in dem Raum der magischen Waffen an den Tag gelegt hatte, waren wie weggewischt, und ihr Verhalten wurde von der Heiligkeit des Moments gelenkt. Wer will schon wissen, woher er kommt, wenn er weiß, wohin er gehört? Und Svenya fühlte, dass sie hierher gehörte. Dass ihr hier eine wichtige Rolle zukam und sie eine Aufgabe hatte. Eine Aufgabe, die den anderen so viel bedeutete, dass sie sie dafür bejubelten. Diese Begeisterung aber half ihr, ihre neue Rolle ebenfalls als bedeutend zu empfinden und sie willkommen zu heißen.
»Steh auf, mein Kind«, sagte Alberich mit einem gerührten Lächeln. Noch nie hatte sie jemand mein Kind genannt, und jetzt musste sie sich doch zusammenreißen, damit aus den Tränen kein Bach wurde.
»Willkommen in unserer Mitte, Sven’Ya Svartr’Alp, Hüterin Midgards!« Des Königs Stimme trug durch den gesamten Wald. »Lass uns dir danken dafür, dass du unser Volk schützt und auch das Volk der Menschen … dass du die Finsternis mit deinem Licht durchdringst und für all jene zu kämpfen bereit bist, die sich selbst nicht wehren können. Was immer wir dir an Hilfe zukommen lassen können, werden wir tun … zögere nie auch nur einen Moment, danach zu fragen. Lass uns für dich da sein, wie du für uns da sein wirst. Dein Mut ist uns schon jetzt Inspiration, Bezwingerin des Elbfluchs Grynd’Nirr. Unsere Festung und die Straßen Dresdens werden sicherer sein durch dich, und auch wenn die Menschen es niemals erfahren werden, wirst du sie auch in Zukunft vor den Kreaturen schützen, die sie heimsuchen und ihre Zukunft bedrohen.«
Jeder einzelne Satz wurde von weiteren, immer lauter anschwellenden Rufen der Zustimmung und Begeisterung begleitet, bis Alberich schließlich Mühe hatte, den Lärm zu übertönen, weshalb er lächelnd abschloss: »Doch all das hat Zeit bis morgen. Heute lasst uns feiern und fröhlich sein.«
Er klatschte zweimal in die Hände, und aus dem Morgenlicht wurde Nacht – die schwebenden Leuchtblasen wechselten von waldgrün zu golden und silbern, und überall neben den Diwanen erschienen Platten, Schalen und Schüsseln mit den erlesensten Speisen sowie Brunnen, aus denen Wein, Met und Säfte sprudelten.
Svenya hatte jedoch nur Augen für Hagen. Er stand neben seinem Vater und lächelte voller Stolz und Bewunderung. Und so, wie er lächelte, war er nicht stolz auf sich, weil er maßgeblich hinter dem Erfolg ihrer Prüfung stand, sondern stolz auf sie, Svenya. Stolz darauf, dass sie sie bestanden hatte … darauf, dass sie jetzt hier war – und dass sie ihre Mission akzeptiert hatte oder ihr Schicksal, wie er es formulieren würde. Dann tat Hagen etwas, das ihr Herz für einen kleinen Moment der Ewigkeit lang zum Aussetzen brachte: Er kniete vor ihr nieder! Er nahm ihre Hand und schaute sie eindringlich an.
»Sven’Ya Svartr’Alp, Hüterin Midgards! Ich, Hagen von Tronje, Sohn des Alberich, General und Oberkommandeur der Streitkräfte der Elben, schwöre Euch meine Treue und meine Loyalität.« Er küsste ihren Handrücken, und Svenya lief es heiß und kalt den Rücken herunter. Ihre Knie wurden von neuem weich, und ihre Kehle wurde ganz trocken.
»Und ich«, sagte sie mit belegter Stimme, »Sven’Ya Svartr’Alp, Tochter Elbenthals, schwöre Euch, Hagen von Tronje, die Treue und gelobe, meine Pflicht zu erfüllen und jeden Tag aufs Neue mein Bestes zu geben zum Schutz und zum Wohle unseres Volkes und des Volkes der Menschen. Ich will an Eurer Seite …«
Doch weiter kam sie nicht – denn das war der Moment, in dem die Erde erbebte.
51
Der Wald in Svenyas Bankettsaal erbebte so stark, dass Svenya nach vorne überkippte. Hagen reagierte schnell und fing sie auf. Um sie herum ertönten Schreie. Yrr sprang zu ihr hin und aktivierte ihre Rüstung. Ein plötzliches Aufleuchten zog ihren Blick zu Alberich. Der stand mit finsterer Miene und sicheren Füßen neben ihr, hatte die Arme weit ausgebreitet und murmelte eine Beschwörung. Wenige Herzschläge später hörte das Beben wieder auf. Die Schreie verstummten.
»Was war das?«, fragte Svenya.
»Oegis«, sagte Hagen und half ihr dabei sich aufzurichten. »Er versucht auszubrechen. Schnell!« Eilig lief er in Richtung Tür und aktivierte dabei ebenfalls seine Rüstung. Svenya tat es ihm nach und folgte ihm zusammen mit Yrr. Als sie zu Hurdh gelangten, rief Hagen: »Bring uns nach unten.«
Mittlerweile hatte Raik ihr den Plan mit den
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