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Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Titel: Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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sich über die Deutlichkeit ihrer eigenen Gedanken, war aber froh, dass sie ihr dabei half, die Dinge so zu sehen, wie sie waren, und auch genauso auszusprechen.
    »Ich nehme an, das ist Euer letztes Wort?«, sagte Nanna leise.
    »Das ist es.«
    »Dann ist es das Beste, ich gehe sofort. Der perfekte Ablauf des Abends ist auch ohne mich gewährleistet. Meine Sachen lasse ich morgen im Laufe des Tages abholen.«
    Svenya nickte, und obwohl sie fühlte, dass das, was sie gerade getan hatte, sehr viel mehr Mut erfordert hatte, als den Leviathan zu töten, tat ihr das Herz weh. Und dennoch sagte sie nicht ein Wort des Abschieds, während Nanna, begleitet von einer der Palastwachen, langsam davonging.

50
     
    Raegnir kam durch die Saaltür nach draußen geschlüpft. Wie immer hinkte er, auf seinen Wurzelholzstock gestützt, aber er war heute so sehr herausgeputzt und strahlte dermaßen vor Stolz, dass selbst sein Hinken so würdevoll erschien wie der ganze Rest von ihm. Sein dünnes weißes Haar, das er sich im Alltagsgeschäft als Marschall und Lehrer ununterbrochen zu raufen pflegte, war heute glatt geölt und zu feinen Zöpfen geflochten, die hinten in seinem dürren Nacken zusammenliefen und dort mit einer Schleife aus Platinfäden gebunden waren.
    »Ihr seht entzückend aus, Eure Hoheit«, sagte er. »Darf ich der Erste Eurer Diener sein, der Euch beglückwünscht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er Svenyas Hand und senkte seine Stirn darauf.
    »Raegnir, mein Lieber«, erwiderte Svenya. »Ich betrachte Euch ganz und gar nicht als meinen Diener, vielmehr als einen guten Lehrer. Einen sehr guten sogar.«
    Er schaute sie mit einem gleichermaßen verwunderten wie geschmeichelten Lächeln an. »Ich hatte nie das Gefühl, dass mein Unterricht in Strategie Euch sonderlich interessiert hätte.«
    Svenya lachte. »Das Gefühl teilen wir. Aber offenbar ist sehr viel mehr davon hängen geblieben, als wir beide gedacht hätten. Dein Unterricht hat mir tatsächlich das Leben gerettet.«
    »Ihr erweist mir zu viel der Ehre, Hoheit«, sagte Raegnir mit einer weiteren Verbeugung. »Aber ich bin glücklich, dass meine bescheidenen Dienste ein wenig zum Bestehen Eurer Prüfung beigetragen haben. Doch jetzt solltet Ihr Euch sputen, wenn es mir erlaubt ist, das anzuregen. Drinnen warten alle schon auf Euch.«
    Jetzt, da die Sache mit Nanna erledigt war, konzentrierten sich Svenyas Gedanken durch Raegnirs Bemerkung wieder auf das vor ihr liegende Fest, und es überfiel sie ein massiver Anflug von Lampenfieber.
    »Kann ich nicht hintenherum reingehen?«, fragte sie. »Vielleicht direkt an meinen Tisch?«
    Raegnir kicherte. »Schlecht möglich, wenn Ihr Gastgeberin und Ehrengast in ein und derselben Person seid. Man erwartet einen ganz besonderen Auftritt, und das mit Recht. Euer Platz, an dem König Alberich, General Hagen, Wargo und Raik bereits auf Euch warten, liegt genau am anderen Ende des Saales.«
    Svenya runzelte die Stirn. Sie würde also Spalier laufen müssen. Völlig allein. Den ganzen Saal entlang. Beobachtet von allen Anwesenden. Sie merkte, dass ihre Knie zu zittern begannen.
    »Ich würde lieber gegen ein ganzes Rudel Jötunnen kämpfen«, flüsterte Yrr ihr zu.
    »Ich auch«, antwortete Svenya. »Obwohl ich noch nie einem begegnet bin.«
    »Dann werde ich Euch jetzt einmal ankündigen gehen«, sagte Raegnir entschieden, und ehe Svenya ihn aufhalten konnte, um ein wenig Zeit zu schinden, war er bereits eilig davongehinkt und wies die Wachen mit einer Geste an, beide Türflügel zu öffnen.
    Svenya tat unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Keine Sorge«, flüsterte Yrr. »Ich bin dicht hinter dir.«
    Svenya wollte noch etwas sagen, aber der Anblick, der sich ihr jetzt durch die geöffneten Türen bot, verschlug ihr die Sprache: Der Saal war magisch verwandelt worden – in einen Hain … einen kleinen, lichten Wald voll weißsilbrig glänzender Birken und Espen. Svenya sah sich um. Obwohl, was heißt da klein? Der Hain war um ein Vielfaches größer, als es Svenyas Bankettsaal eigentlich war, stellte sie fest. Der moosige Boden war jetzt aus echter Erde, und die Decke einem verdammt echt wirkenden Frühmorgenhimmel gewichen. Tausende von Schmetterlingen, Libellen und kleinen bunten Vögeln flogen durch die Luft. Ihnen zur Seite tummelten sich Hunderte waldgrüner Lichter, die aussahen wie Seifenblasen. Statt Tischen und Stühlen gab es Diwane aus seidenen Polstern – auf dem Boden, aber auch in den Kronen der

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