Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
hochfrisierten und durch Zauber gelockten Haar und die Tattoos im Gesicht, an den Armen und auf dem tief ausgeschnittenen Rücken. Ihre Schuhe waren aus einem Stoff, der so fest war wie Leder, aber sehr viel geschmeidiger und leichter.
Das Kleid, das Yrr trug, war wesentlich gewagter und zeigte freizügig ihre weiblichen Rundungen. Es war aus dem gleichen Stoff wie Svenyas, aber smaragdgrün. Von der einen Schulter verlief bis hin zum Oberschenkel eine ebenfalls aus schillernden Smaragden gefertigte Efeuranke. Yrrs blondes Haar war kunstvoll zu einer Seite gelockt und außer mit Schmucksteinen noch mit kleinen Glöckchen verziert. Sie wirkte jetzt so viel charmanter und jugendlicher als in ihrer Rüstung – die sie allerdings jetzt dank Raik unsichtbar am Leib trug – genau wie Svenya die ihre.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie Svenya leise. »Du siehst aus, als bedrücke dich etwas.«
»Alles fein«, antwortete Svenya. »Fast alles. Da ist nur noch eine Kleinigkeit, die ich klären muss und die mir ein wenig auf den Magen schlägt.«
»Etwas, das ich für dich erledigen kann?«
»Das ist lieb von dir, aber nein, das muss ich selbst tun. Und wenn ich es nicht gleich tue, wird es nur schlimmer. Am besten also, ich tue es, ehe wir da reingehen.« Sie wandte sich an eine der Wachen vor der Tür. »Bring bitte Nanna zu mir.«
Der Krieger salutierte und öffnete die Tür gerade so weit, dass er in den Saal schlüpfen konnte. Die Sekunden der nächsten Minute krochen langsam wie Schildkröten, während Svenya auf die Köchin wartete und versuchte, sich die besten Worte für die Situation zurechtzulegen. Aber wirklich geeignete fand sie keine. Am besten sie sagte das, was sie zu sagen hatte, frei heraus. Als die Tür endlich wieder aufging und Nanna in einem wunderschönen, aber dem Anlass und ihrer Aufgabe entsprechend praktischen Kleid nach draußen trat, schnürte es Svenya fast die Kehle zu.
»Da seid Ihr ja endlich«, rief die Köchin erfreut. »Wir warten schon alle ganz gespannt auf Euch. Für Euren Auftritt habe ich …«
»Nanna«, unterbrach Svenya sie. Ihr kühler Ton ließ das Lächeln auf dem Gesicht der Köchin verschwinden. »Ich danke dir für all deine Mühe mit den Vorbereitungen zu dieser Feier und auch für die meisten anderen Dienste, die du mir in der Vergangenheit geleistet hast – als Leiterin meiner Küche und als Freundin. Aber jetzt möchte ich dich bitten, deine Sachen zu packen und meinen Palast zu verlassen.«
»Was?!« Nanna war fassungslos.
»Du bist entlassen«, sagte Svenya. »Ich dulde unter meinem Dach keinen Freund, der mich belügt oder mir die Wahrheit verschweigt. Du wusstest von Hagens Plan und hast ihm auch noch aktiv dabei geholfen.«
»Du zürnst mir deshalb, aber nicht ihm?«
»Mit ihm bin ich quitt«, stellte Svenya klar. »Er hat als mein Ausbilder gehandelt und mir nicht Freundschaft vorgegaukelt.«
»Vorgegaukelt? Meine Gefühle für Euch waren und sind …«
»Nanna!«, schnitt Svenya ihr erneut das Wort ab. »Ich habe tränenüberströmt in deinen Armen gelegen, und du hast nicht nur die Wahrheit für dich behalten, sondern mich auch noch aktiv darin bestärkt, dass ich von hier fortgehe. Wahre Freunde tun einander so etwas nicht an.«
»Aber es war doch nur zu Eurem Besten.«
»Was das Beste für mich ist und was nicht, entscheide ich ganz allein. Auf gar keinen Fall aber das Beste ist es, mich anzulügen.«
Nanna war leichenblass, und ihre Augen waren feucht. Sie deutete auf Yrr. »Aber ihr habt Ihr doch auch verziehen.«
»Yrr hat mich nie angelogen«, erwiderte Svenya. »Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie mich hasste. Sie hat mir, anders als du, nie etwas vorgemacht. Hass kann ich verzeihen, denn er vergeht, Lügen nicht, denn ich werde nie wieder wissen, ob du mir die Wahrheit sagst oder nicht. Vertrauen kann man gewinnen. Zerstörtes Vertrauen aber nie wieder aufbauen.«
»Ihr fällt ein hartes Urteil über mich«, sagte Nanna leise und senkte den Kopf.
»Nein«, entgegnete Svenya. »Ich fälle ein klares . Hart ist es nicht, weil es zwischen richtig und falsch keine Abstufungen gibt. Und mein Urteil hat keinerlei Konsequenzen, außer dass du in Zukunft für jemand anderes kochst. Ich kann auf jeden verzichten, der mich belügt, und du für deinen Teil kannst auf jemanden verzichten, der dir nicht mehr vertraut. Ebenso wenig ist etwas verloren, denn die Freundschaft, die man als verloren bezeichnen könnte, war keine.« Svenya wunderte
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