Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Kurs und damit den Kurs seines Volkes von heute auf morgen um hundertachtzig Grad änderte.
Lau’Ley wusste: Man konnte Laurin nicht lenken – man konnte ihn nur verlocken und verführen, wenn man ihn dazu bewegen wollte zu tun, was man sich wünschte … und Verlocken und Verführen waren die Spezialität der Sirene. Deshalb war sie, trotz all der Frauen, die in den vergangenen drei Millenia gekommen und gegangen waren, noch immer seine Hauptfrau. Die Einzige, die es so lange mit ihm ausgehalten hatte … oder besser, die Einzige, mit der er es so lange ausgehalten hatte … etwas, worauf sie sehr stolz war.
Als es jetzt leise an die Tür ihres Schlafgemachs klopfte, wusste Lau’Ley, dass es soweit war. Sie hatte eine ihrer Zofen damit beauftragt, auf der äußeren Mauer auf Laurins Rückkehr zu warten und sie umgehend zu informieren, sobald er sich der Festung näherte, damit sie ihm einen gebührenden Empfang bereiten konnte. Sie erhob sich mit nur mühsam gebremster und aus vorfreudiger Anspannung geborener Hast, strich ihr nagelneues, ebenfalls smaragdgrünes Dior-Kleid glatt, zupfte ihre Korsage zurecht und schwebte aus dem Raum … buchstäblich … einen halben Meter über dem Boden.
Kurz darauf stand sie auf den obersten Zinnen der höchsten Brüstung zwischen den blutroten Adlerbannern Aarhains und schaute ins Tal der riesigen Höhle herab. Das Donnern der Hufe seines schwarzen Hengstes schallte bis hier hoch, und sie weidete ihren Blick an Laurins majestätisch finsterer Gestalt. Sein weiter Umhang wehte im Wind seines schnellen Ritts … und zu Lau’Leys Überraschung war er allein.
Zu ihrer Überraschung und – wenn sie ganz ehrlich war, was selten genug vorkam – auch zu ihrer Erleichterung. Sie kannte seine Besessenheit mit der Hüterin und wusste, von allen Frauen dieser Welt war sie die Einzige, die ihr den Rang streitig machen konnte. Was immer er mit der Auserwählten vorhaben mochte – die Tatsache, dass er ihrer nicht habhaft geworden war, bedeutete für Lau’Ley etwas Gutes.
Etwas Gutes im doppelten Sinne – denn er sah, wie sie trotz der Entfernung gut erkennen konnte, verdammt wütend aus. Und Lau’Ley genoss es, wenn er wütend war. Dann zeigte ihr Schwarzer Prinz ihr ganz besonders deutlich, wie wenig er sie in Wahrheit liebte … und wie sehr er sie dabei aber doch brauchte. Denn in ihren smaragdgrünen Sirenenaugen war Liebe so austauschbar wie Unterwäsche … gebraucht zu werden ist das, was eine Beziehung die Jahrhunderte überdauern lässt.
TEIL 2
ANKUNFT
11
Elbenthal
Es war Raik, der Svenya ihre neuen Gemächer zeigte. Sie lagen nicht weit vom Thronsaal des Königs entfernt, am Ende eines weiten Säulenganges. Vor dem Haupteingang standen zwei Wachen in märchenhaft verzierten Titanrüstungen. Sie waren mit langen, kurvigen Schwertern und Maschinenpistolen bewaffnet. Als Svenya und Raik sich näherten, verneigten sie sich ehrerbietig, während die beiden Flügel des Portals vor ihnen auseinanderglitten, wie von Geisterhand geführt.
»Das ist besonders diffizile Magie«, sagte Raik.
»Wieso?«, fragte Svenya unbeeindruckt. »Die Türen bei Aldi öffnen sich auch ganz von selbst. So etwas nennt man Bewegungssensoren.«
»Die Türen bei Aldi wiegen ja auch nicht zwei Tonnen das Stück«, sagte Raik – wie sie fand, ein wenig schnippisch.
»Dann baut doch leichtere«, sagte Svenya.
»Würden wir nur zu gerne«, erwiderte Raik. »Wären da nicht der gelegentliche Jötunn oder Troll auf der Suche nach einem Weg an die Oberfläche.«
»Jötunn?«
»Frostriese«, antwortete Raik ganz nebensächlich und kam dann wieder auf das Portal zu sprechen. »Außerdem ist es nicht das Öffnen an sich, das die meiste Magie verbraucht hat, sondern die Eigenschaft, dass die Tür sich nur für Euch öffnet. Das ist der eigentliche Trick. Das macht ihr keine Supermarkttür nach. Ihr Name ist übrigens Hurdh – Hürde.«
»Meine Tür hat einen eigenen Namen?« Svenya blieb ungläublig vor dem Tor stehen.
»Bei uns Elben haben alle Dinge ihren Namen, Prinzessin«, sagte Raik. »Zumindest die mit einer eigenen Seele.«
»Meine Tür hat eine eigene Seele?«
»Alles, was mit Magie erschaffen oder verstärkt wurde, hat eine eigene Seele. Aber das erkläre ich Euch noch bei Eurer Ausbildung.«
»Du wirst mich ausbilden?«
»In Magie, Hofetikette und der Geschichte unseres Volkes.« Raik strahlte voller Stolz. »Den Stundenplan bekommt Ihr gleich morgen
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