Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Lesen, Filme Schauen und Gamen.«
»Gamen?«
Wargo öffnete eine Kommode voller Spielekonsolen und entsprechenden Utensilien.
»Perfekt zum Training von Reaktion, Präzision und Orientierung«, sagte er. »Nur, Raik nennt es eben nicht gamen. Vermutlich weil er selbst einen nicht gerade kleinen Teil seiner Zeit mit Computer, Playstation und X-Box verbringt.«
»Gefällt mir«, gab Svenya zu. »Und wo sind jetzt die Stallungen, von denen Raegnir gesprochen hat?«
»Die befinden sich nicht hier im Palast. Sie sind am Fuß der Festung und unterhalb des gesicherten Geländes der Albrechtsburg – wie auch die Garage für deine Fahrzeuge.«
»Ich habe Fahrzeuge?«, fragte sie. »Du meinst Autos?«
»Ein ganzes Dutzend. Und Motorräder.«
»Aber ich hab doch noch nicht einmal einen Führerschein.«
Wargo nahm ein kleines, laminiertes Kärtchen vom Schreibtisch. »Jetzt hast du einen.«
Faszinierend . Svenya hatte keine Ahnung, wann sie das Foto dazu gemacht hatten. Aber – »Das Geburtsdatum ist falsch.«
»Natürlich«, sagte Wargo. »Genau wie in deinen Ausweisen und Pässen. In denen bist du jetzt auch nach Menschenrecht schon seit drei Jahren volljährig.«
Cool!
»Und fahren lernen wirst du im Laufe der Ausbildung.«
Noch cooler! »Können wir nicht schon gleich jetzt eine kleine Spritztour machen?«
»Ich bedaure«, erwiderte Wargo. »Außerhalb deines Trainings ist es dir nicht gestattet, an die Oberfläche zu gehen, bis du deinen Test bestanden hast.«
»Och«, machte sie. »Das können wir doch sicher irgendwie umgehen, meinst du nicht?«
Wargos Gesicht nahm einen traurigen Zug an. »Der Preis dafür wäre ziemlich hoch. Zumindest für mich.«
»Was meinst du?«
»Es gehört mit zu meinen Aufgaben, dieses Verbot durchzusetzen«, erklärte er. »Brichst du es dennoch, werde ich bestraft.«
»Wie?«
»Mit dem Tod.«
Das verschlug ihr die Sprache. Sie brauchte einen Moment, ehe sie sagte: »Das heißt, du bist nicht nur mein Bodyguard und Trainier, sondern auch mein Wächter.«
»Ja.«
Die Lockerheit war mit einem Schlag verschwunden, als Svenya begriff, was Wargo da gerade gesagt hatte. Sie war eine Gefangene. Die Tatsache, dass der Käfig, in den man sie gesperrt hatte, aus purem Gold war, änderte daran nicht das Geringste.
Wargo musste gesehen haben, wie sehr ihr die Erkenntnis auf das Gemüt schlug. Er trat zu ihr hin, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. »Hey, es ist doch nur für ein paar kurze Monate«, sagte er tröstend. »Danach kannst du dich da oben wieder herumtreiben, wie es dir gefällt.«
In dem Moment betrat Tapio den Raum, und Wargo machte einen schnellen Schritt von ihr weg. Tapio trug ein großes, dampfendes Tablett. »Die Pizza ist fertig. Wo darf ich servieren?«
»A-auf der Terrasse«, sagte Wargo, und Svenya sah, dass seine Wangen leicht gerötet waren. Auch ihr war unerklärlicherweise ziemlich warm geworden.
Tapio ging voran, und die drei folgten ihm.
Svenya wunderte sich noch, wie es hier, tief unter der Erde, eine Terrasse geben konnte, als ihre Frage beim Durchschreiten der Tür auch schon beantwortet wurde und es ihr zum x-ten Male an diesem denkwürdigen Tag komplett die Sprache verschlug: Die Terrasse war ein Halbrund von der Größe eines Handballfeldes. Aber die schiere Größe der Terrasse war es nicht, das Svenya vor Ehrfurcht verstummen ließ. Es war vielmehr das, was jenseits der geländerlosen Plattform lag: Eine gigantische Höhle. Wirklich gigantisch. Im Sinne von kilometerweit … und Hunderte von Metern hoch.
»Wo sind wir hier?«, fragte sie atemlos.
»Unterhalb Dresdens«, sagte Wargo.
»Unter der Stadt?«
»Und unter dem Fluss.«
Noch fantastischer als die riesige Höhle mit ihren güterzuglangen und mit Leuchtjuwelen besetzten Tropfsteinen war die Festung um Svenya herum. Sie konnte zwar nur einen kleinen Teil davon sehen, doch das genügte Svenya vollkommen, um ehrfürchtig innezuhalten. Die Festung bestand in Gänze aus schwarz glänzendem Gestein und ragte in vielen, mit luftigen Brücken verbundenen und von spiralförmigen Treppen wie mit Schlingpflanzen umschlungenen Türmen bis fast zu der Decke der Höhle – und an manchen Stellen war sie sogar mit ihr verbunden. Vermutlich waren das Zugänge zur Oberfläche … zur Welt der Menschen. Das gesamte Bauwerk wirkte, als sei es in einem Stück aus dem Felsen gehauen, und Svenya konnte nur ahnen, wie viel handwerkliches und architektonisches Können und
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