Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
unsere eigenen Reihen zu infiltrieren, keine Rolle spielen. Yrr, du hast die Hüterin inzwischen lange genug an der Oberfläche vertreten. Jordh und Skuld werden von jetzt an deine Aufgaben dort übernehmen. Ich werde sie entsprechend instruieren.« Hagens Tonfall duldete keinen Widerspruch. Genauso harsch wandte er sich nun an Svenya: »Sobald Ihr die Ausbildung hinter Euch gebracht und den Test bestanden habt, könnt Ihr zum Hauptmann ernennen, wen immer Ihr wollt. Bis dahin unterliegt diese Angelegenheit meiner Entscheidung, und ich erwarte von Euch, dass Ihr Euch dieser Entscheidung fügt. Ihr könnt darauf vertrauen, dass Euer Überleben für mich die alleroberste Priorität besitzt. Und jetzt legt Euch schlafen. Die Ausbildung beginnt pünktlich in vier Stunden.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte der Elbengeneral sich um und marschierte aus dem Raum.
»Raik! Wargo!«, rief er von draußen, sichtlich ungehalten über die Verzögerung. Raik folgte seinem Ruf direkt. Wargo aber ging erst aus dem Raum, nachdem er Svenya mit einem stummen Blick um Vergebung gebeten hatte – gefolgt von Yulf, der sich auf der Türschwelle noch einmal kurz zu ihr umdrehte. Doch dann war auch er verschwunden, und Svenya war allein mit Yrr. Deren Blick war jetzt noch feindseliger als vorhin.
»Tut, wie General Hagen Euch geheißen hat«, sagte sie, »und geht ins Bett. Ich überprüfe in der Zwischenzeit noch einmal, ob alles in Ordnung ist, und teile die Leibgarde für den morgigen Tag ein.«
»Bleib noch ein bisschen«, bat Svenya.
»Warum?«, fragte Yrr.
»Ich möchte jetzt nicht allein sein.«
Zu der Feindseligkeit in Yrrs Miene gesellte sich nun auch Verachtung – offenbar betrachtete sie das Zugeben von Angst als Schwäche. »Der General hat mich zu Eurem Schutz und zu Eurer Bewachung abgestellt«, sagte sie knapp. »Nicht zu Eurer Unterhaltung. Ruft also nur nach mir, wenn Euer Leben in Gefahr ist.«
Damit salutierte sie, drehte sich um und ging.
13
Völlig verloren wanderte Svenya durch die verlassenen Räume ihres neuen Palastes. Das, was Svenya sich die wenigen Male vorgestellt hatte, wenn sie sich ausmalte, wie es wohl wäre, in Wahrheit keine gewöhnliche Sterbliche und bettelarm zu sein, sondern eine Prinzessin oder gar ein überirdisches Wesen, war Lichtjahre entfernt von dem, was sie jetzt erlebte. Sie war hier in Elbenthal, weil sie gejagt wurde … und weil es ihre Aufgabe sein würde, selbst zu jagen. In den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte man sie verfolgt, gefangen genommen und töten wollen. Mit dem Ergebnis, dass sie sich hier in diesen Mauern viel mehr wie in einem Gefängnis fühlte statt in Sicherheit. So sehr sie in ihrem früheren Leben in Not und Elend gegen jede Hoffnung davon geträumt hatte, irgendwann einmal reich zu sein und nicht mehr hungrig, so wenig hatte sie jetzt überhaupt einen Blick für den Prunk und den Reichtum, der sie umgab … aber immer noch Hunger.
Der Gedanke an Essen lenkte sie ab von ihrer Angst. Also hielt sie daran fest und steuerte ihre Schritte in die Küche nach unten. Der Appetit auf Pizza war ihr vergangen, aber vielleicht würde sie ja ein Stück Brot und etwas Käse auftreiben können …
Doch wenn sie geglaubt hatte, die Küche sei zu solch später Stunde leer, hatte sie sich getäuscht: Von drinnen ertönten die Klänge fleißigen Schaffens.
Svenya schob die Tür ein wenig auf und linste hinein. Ein halbes Dutzend Elben und Elbinnen war geschäftig am Werkeln. Auf verschiedenen Feuerstellen dampften, brutzelten und brodelten große Töpfe und Pfannen. Eigentlich hätte sie sich denken können, dass hier rund um die Uhr gearbeitet wurde – schließlich galt es, einen ganzen Hofstaat zu versorgen. Allein der Duft der verschiedenen Speisen ließ Svenya das Wasser im Mund zusammenlaufen, doch sie zögerte. Wenn sie Hagen und Alberich Glauben schenken durfte, war das hier wohl jetzt ihre Küche, aber sie fühlte sich dennoch wie eine Fremde. Jetzt einfach so hineinzugehen, wäre ihr irgendwie peinlich – wie das nun einmal ist, wenn man als Fremde irgendwo zu Besuch ist und sich nicht traut, einfach etwas aus dem Kühlschrank zu holen.
Gerade wollte Svenya sich wieder davonschleichen, als sie von einer besonders jung aussehenden Elbin mit rotem Lockenkopf entdeckt wurde.
»Eure Hoheit!«, rief diese in ehrerbietigem Ton, und sogleich wandten sich auch alle anderen Köche und Köchinnen ihr zu und verneigten sich.
»Oh, bitte«, sagte
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