Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
lang wie still in der Luft zu schweben schien, ehe die Schwerkraft ihren Tribut einforderte und er wie ein Stein in die Tiefe stürzte.
12
Svenya saß in ihrem Wohnzimmer in einem großen Lehnsessel und versuchte, den Galopp ihres Pulses zu bremsen. Sie hatte die Füße auf das Polster gestellt und umklammerte schutzsuchend mit beiden Armen ihre angewinkelten Beine. Yulf lag vor ihr auf dem Boden, was ihr zumindest ein gewisses Gefühl der Sicherheit gab.
»Der Wolf hat ihr also das Leben gerettet«, urteilte auch Hagen, der jetzt mit Wargo, Raegnir und Raik nicht weit von Svenya bei der Tür stand.
»Ja«, antwortete Wargo. »Die Pizza war mit Alraune vergiftet. Er hat es gewittert und die Prinzessin daran gehindert, sie zu essen.«
»Und du hast nichts gemerkt?«, fragte Raik erstaunt. »Dein Geruchssinn ist doch beinahe ebenso gut wie der von Yulf.«
»Ich hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmte, als Tapio selbst die Pizza servierte«, sagte Wargo – seiner zerfurchten Stirn nach zu urteilen wütend auf sich selbst. »Ich habe sonst noch nie gesehen, dass er freiwillig selbst mit anpackt.«
»Du hast versagt«, sagte Hagen mit finsterer Miene. »Gleich drei Mal.«
»Drei Mal?«, fragte Svenya. Ihre Zunge fühlte sich wie ein Klumpen Blei an. Trotz ihrer Angst empfand sie Hagens Ton und seine Anschuldigung so unangemessen, dass sie weitersprach: »Auch Wargo hat mir das Leben gerettet.«
»Soweit ich das beurteilen kann«, sagte Hagen kühl, »hätte Tapios Streich mit dem Messer Euch den Kopf von den Schultern getrennt, wenn es Euch nicht gelungen wäre, Euch selbst nach hinten vom Tisch wegzustoßen. Entspricht das den Tatsachen?«
Svenya zögerte – doch dann nickte sie.
Hagen blickte Wargo hart an. »Und ein drittes Mal hat er sein Unvermögen unter Beweis gestellt, als er zuließ, dass der Verräter sich in den Tod stürzte, ehe wir ihn befragen konnten«, schloss er.
»Was hätte er denn tun sollen?«, wandte Svenya ein.
»Wargo hätte Tapio fesseln müssen, direkt nachdem er ihn entwaffnet hatte«, sagte Raik leise. Sein Tonfall verriet, dass er nicht glücklich damit war, den Mannwolf anklagen zu müssen.
Wargo senkte den Kopf. »Ich stelle hiermit meinen Posten als Hauptmann der Leibgarde der Prinzessin und als ihr Trainer zur Verfügung und begebe mich so lange in Hausarrest, bis das Urteil für mein Vergehen gefällt ist.«
»Deine Dienste als Trainer werden weiterhin benötigt«, erwiderte Hagen. »Du bist der einzige Mannwolf in unseren Reihen. Deswegen und aufgrund deiner tadellosen Vergangenheit werde ich von einer weiteren Bestrafung absehen. Als Hauptmann der Leibgarde wirst du jedoch bis auf weiteres ersetzt.« Er wandte sich an Raik. »Lass Yrr kommen.«
Svenya wollte protestieren, doch Hagen gab ihr dazu gar keine Gelegenheit. Er hatte sich bereits an Raegnir gewandt. »Du stellst aus deinen Reihen einen Vorkoster für die Prinzessin ab«, befahl er dem Marschall. »Jemanden, der keine verwandtschaftlichen oder wie auch immer ge-arteten Beziehungen zum Küchen- und Kellerpersonal hat. Er wird alles, und ich meine wirklich alles testen, ehe es der zukünftigen Hüterin vorgesetzt wird. Sollte es einen weiteren Giftvorfall geben, ziehe ich dich persönlich zur Rechenschaft. Haben wir uns verstanden?«
Der alte Elb nickte. »Wie Ihr befehlt, General Hagen.«
»Bestelle außerdem einen neuen Kämmerer und versuche herauszufinden, ob Tapio alleine gehandelt hat oder ob er Hilfe vom Küchenpersonal hatte.«
»Sehr wohl«, sagte Raegnir, verbeugte sich erst in Hagens, dann in Svenyas Richtung und verließ den Raum. Yrr stand bereits in der Tür und wartete, dass sie hereingerufen würde. Statt eines Gewandes trug sie jetzt eine titanfarbene Rüstung, die der der Torwachen nicht unähnlich war – nur feiner geschmückt und mit goldenen Intarsien verziert. Unter dem angewinkelten Arm trug sie einen Spitzhelm mit einer Krone aus rabenschwarzem Rosshaar, das wie ein langer Zopf daran herabfloss.
»Ihr habt mich rufen lassen, General Hagen«, sagte sie und stand stramm.
Hagen nickte in ihre Richtung. »Du wirst ab sofort Wargos Stelle als Hauptmann der Leibgarde der Prinzessin einnehmen«, sagte er.
»Aber …«, sagten Svenya und Yrr wie aus einem Mund. Ihre Antipathie war gegenseitig.
»Kein Aber «, schnitt Hagen ihnen beiden das Wort ab. »Mag sein, dass eure erste Begegnung unter einem schlechten Stern stand, aber das darf jetzt, da es dem Feind gelungen ist,
Weitere Kostenlose Bücher