Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Svenya, »lasst euch nicht stören. Ich bin schon wieder weg.«
»Nein, nein«, erwiderte die junge Elbin und kam rasch zur Tür gelaufen, um sie ganz aufzuziehen und Svenya hineinzukomplimentieren. »Ihr stört doch nicht. Das hier ist schließlich Eure Küche. Bitte kommt herein. Ihr seht hungrig aus. Dürfen wir Euch etwas bringen?«
Sie wirkte nicht älter als fünfzehn, aber Svenya wusste inzwischen, dass das Aussehen nicht viel über das wahre Alter eines Elben verriet.
»Wenn es keine Mühe macht«, sagte Svenya, »wäre ein Stück Brot ganz toll. Und etwas Käse vielleicht.«
Die grasgrünen Augen der jungen Elbin wurden weit vor Mitgefühl. »Hat Euch denn nach dem Anschlag niemand ein neues Essen gebracht? Schande über General Hagen und seinen sturen Soldatenschädel. Aber Ihr dürft ihm nicht böse sein. Er hat so viel um die Ohren, dass er die grundlegendsten Dinge gerne vergisst. Hier, setzt Euch. Ich bringe Euch sofort etwas.« Damit schob sie Svenya zu einem Tisch mit roh geschliffener Platte und einem Hocker. »Ihr andern«, wandte sie sich an ihre Kollegen und Kolleginnen, »macht gefälligst weiter. Hier gibt es nichts zu gaffen. Und du, Brrt, hol der Prinzessin einen Krug Wein.«
Brrt, ein hochgewachsener Elb, verneigte sich kurz und ging los.
»Einfaches Wasser wäre mir lieber«, sagte Svenya schnell.
»Sicher?«, fragte die junge Köchin, während sie eine Holzschale aus einem der Regale nahm und aus verschiedenen Töpfen Essen hineinschöpfte. »Denn wir hätten da natürlich auch noch diverse Säfte, Met, Bier, Cola, Cola light …«
Dem Angebot konnte Svenya nicht widerstehen. »Ein Apfelsaft wäre toll.«
»Du hast die Prinzessin gehört, Brrt«, sagte die Elbin, stellte die Schale vor Svenya auf den Tisch und holte aus einer Schublade Messer und Gabel. Die dampfenden Schwaden, die von der Schale aufstiegen, dufteten köstlich. »In Burgunder geschmortes Rehragout mit in Speck gedünsteten Rosenkohlblättern und Kartoffelklößchen«, präsentierte die junge Köchin fröhlich. »Guten Appetit.«
Das ließ Svenya sich nicht zweimal sagen. Sie spießte eines der Fleischstückchen auf und schob es in den Mund. Es zerging auf der Zunge.
»Das … das ist göttlich«, sagte sie und sah, wie das Gesicht des hübschen Rotschopfs vor Stolz erstrahlte. »Ich habe noch nie etwas gegessen, dass so gut … so fein war.«
»Ihr schmeichelt mir, Eure Hoheit. Ich bin froh, dass es Euch schmeckt.«
Svenya schnitt ein Stück von dem Klößchen ab und zog es mit der Gabel durch die rötlich braune, wundervoll sämige Soße. Es schmeckte sogar noch besser als das Fleisch. Svenya schloss für einen Moment die Augen, ließ die Kartoffelmasse über ihre Geschmacksknospen gleiten und seufzte leise vor Seligkeit.
Brrt kam zurück und schenkte ihr aus einem Krug Apfelsaft in einen einfachen Becher. Svenya nahm einen Schluck – es war der apfeligste Apfelsaft, den sie je getrunken hatte. Sie wusste, dass es dieses Wort nicht gab, hatte aber das Gefühl, dass es für diesen Geschmack extra erfunden werden musste.
Das erste Mal, seit dieses seltsame Abenteuer begonnen hatte, und auch das erste Mal seit langem überhaupt, fühlte Svenya sich willkommen geheißen – und sogar ein Stück weit zu Hause … obwohl sie eigentlich gar nicht wusste, was das war. Doch sie hatte oft genug von einem Zuhause geträumt, um zu wissen, dass es sich in etwa so anfühlte.
Ehe sie sich’s versah, tat die Köchin ihr eine zweite Portion auf, und Brrt schenkte ihr nach.
»Wie heißt du?«, fragte Svenya die junge Elbin.
»Nanna«, antwortete sie. »Ich bin die Leiterin Eurer Küche. Vorausgesetzt natürlich, Ihr seid mit meinen Kochkünsten zufrieden.«
»Sehr«, antwortete Svenya und spachtelte weiter, bis sie beim besten Willen nicht mehr konnte und die Hälfte der zweiten Portion stehen lassen musste. So wie sie selbst wurde der Großteil ihrer Angst durch das leckere Essen allmählich schläfrig. Wenn sie wenigstens noch zwei Stunden Schlaf abbekommen wollte, musste sie jetzt ins Bett.
Sie bedankte sich artig für die Bewirtung und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu Nanna und den anderen Köchen herum.
»Darf ich wiederkommen?«, fragte sie.
»Jederzeit«, antwortete Nanna. »Es ist Eure Küche, vergesst das nicht.«
»Ich hab das Gefühl, ich werde sie mir erst noch verdienen müssen.«
»Euch erwartet eine große Aufgabe, Eure Hoheit«, sagte Nanna. »Aber seid sicher, Ihr habt die
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