Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Zweifel.«
»Neunhundert Jahre«, sagte Svenya anerkennend, um dann zu feixen: »Ganz schön alt, Mann.«
»Oh ja«, sagte Raik amüsiert und spielte ein Stöhnen. »Ich spür’s schon im Kreuz. Na ja, ich bin eben wahrlich nicht mehr der Jüngste.«
Svenya lachte. Nach dem gestrigen Abend hätte sie Raik überhaupt keinen Humor zugetraut. »Und wie alt ist Yrr?«
»Oh, Yrr ist ein Küken«, sagte Raik. »Aber ein mit allen Wassern geschwaschenes Küken. Eine unserer besten Kriegerinnen – wenn nicht gar die beste; die Männer eingeschlossen. Sie ist gerade mal vierhundert, und trotzdem hat man ihr die Aufgaben der Hüterin übertragen, bevor du kamst. Aber weniger konnte man von General Hagens Tochter ja auch nicht erwarten.«
»Sie ist seine Tochter?!?«
»Ja. Und damit Alberichs Enkelin.«
»Das erklärt, warum sie so überheblich ist«, schlussfolgerte Svenya.
»Nein«, widersprach Raik. »Das ist nicht der Grund. Sie ist eifersüchtig auf Euch. Ihr seid die wahre Hüterin. Sie war nur Eure Vertretung. Das ärgert sie.«
»Aber wieso …?«
»Vergesst es«, unterbrach er sie. »Mehr kann und werde ich Euch dazu nicht sagen. Denkt an den Fluch.«
Svenya musste sich auf die Zunge beißen.
»Okay«, gab sie schließlich nach. »Aber wenn sie scharf auf meinen Posten ist, wieso betraut man sie dann damit, mich zu bewachen und zu beschützen?«
»Was meinst du?«
»Na ja. Hätte ein Attentäter wie Tapio Erfolg, könnte sie wieder meinen Platz einnehmen. Das würde ich durchaus einen Interessenkonflikt nennen.«
»Verstehe«, sagte Raik. »Aber da müsst Ihr Euch keine Sorgen machen. Yrr mag ein Biest sein. Aber sie würde niemals einen Eid brechen oder einen Auftrag fehlerhaft ausführen. Und schon gar nicht würde sie jemals einen Befehl ihres Vaters missachten.«
»Sicher?« Svenya beugte sich schräg nach vorn, um sein Gesicht besser sehen zu können.
»Absolut!«
Raiks Stimme klang fest, aber als er jetzt seinen Blick in Richtung Yrr wandte, die stolz an ihrer Seite flog, legte sich ein leichter Schatten auf sein Gesicht. Spielte das unstete Licht der leuchtenden Steine Svenyas Augen einen Streich, oder war das, was sie darin las, Zweifel?
17
Raik steuerte einen der mittleren Türme an und landete die Flemys auf dessen Plateaudach.
»Zeit für das Geschicklichkeitstraining«, sagte er, sprang vom flauschig pelzigen Rücken des Tieres und half Svenya dabei, die Gurte zu lösen und abzusteigen. Hinter ihnen landeten auch Yrr, Liff und Reyja, und mit einem knappen Befehl schickte Yrr die vier Fledermäuse fort.
Auch diese Plattform war kreisrund und ohne Geländer.
»Was jetzt kommt, ist eine Übung ohne Waffen«, erklärte Raik. »Yrr, Liff und Reyja werden versuchen, Euch zu fangen. Ihr müsst ihnen ausweichen und dürft Euch nicht schnappen lassen.«
»Ein Kinderspiel?«, fragte Svenya überrascht.
»Nicht ganz«, antwortete Raik. »Gleichzeitig werde ich versuchen, Euch mit Magieblitzen zu treffen.«
»Was?!«
»Keine Sorge«, sagte er. »Es werden nur schwache Blitze sein – aber wenn sie Euch treffen, werdet Ihr es zweifellos merken.«
»Trotz des Panzers?«
»Den werdet Ihr deaktivieren. Dazu drückt bitte jetzt das Ende des Drachenschwanzes auf Eurem Emblem.«
Svenya tat, wie Raik sie geheißen hatte, und die Maske verschwand. Sie sah, wie die drei Elbenkriegerinnen sich auf der Plattform verteilten, um so viel Raum wie möglich abzudecken.
»Los!«, rief Raik – und noch ehe Svenya sich überhaupt bewegen konnte, kam Yrr bereits mit einem über acht Meter weiten Hechtsprung herangeflogen, hatte einen Lidschlag später ihre Arme um sie geschlungen und sie mit Wucht zu Boden gerissen. Der Aufprall tat weh, und Svenya sah, dass Yrr hämisch grinste, ehe sie sie wieder losließ, aufstand und zu ihrer Ausgangsposition zurückging.
Svenya rappelte sich auf die Füße.
»Denkt daran«, sagte Raik. »Das könnt Ihr auch. Ihr dürft Euch nicht nur auf das Laufen konzentrieren; springt so hoch und so weit Ihr könnt. Also noch einmal von vorne: Los!«
Wieder kam Yrr herangehechtet … dieses Mal aber sprang Svenya nach oben, um ihr auszuweichen … zu ihrer großen Verwunderung fast drei Meter hoch … allerdings wurde sie oben in der Luft von Reyja auf die gleiche Weise geschnappt wie eben von Yrr. Nur jetzt war der Sturz auf den Boden gleich sehr viel härter und schmerzhafter als eben. Der Aufprall presste Svenya die Luft aus den Lungen, und sie schlug unsanft mit
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