Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Vorstellung, nicht siegen zu können. Und ich kann es dir nicht einmal verübeln. Denn du hast keine Ahnung von deiner wahren Kraft … wozu sie dich befähigt. Und du hast keine Ahnung davon, wie sehr wir dich brauchen.«
»Ihr braucht mich?« Das konnte sie nun wirklich nicht glauben.
»Siehst du, genau das meine ich! Du betrachtest uns als übermächtig und hinderst damit dein Unterbewusstsein, die Tore zu öffnen zu deiner wahren Macht. Ja, wir brauchen dich, Svenya … zum Überleben. Und die Menschheit braucht dich – aus genau dem gleichen Grund. Wenn du dich weiterhin weigerst, dein Wahres Ich zu erkennen und dein Potenzial, dann sind wir alle verloren. Für immer.«
»Ihr kamt bis jetzt doch auch ganz gut ohne mich aus.«
Statt darauf einzugehen, führte Hagen sie zu einer Landkarte an der Wand.
»Das ist das Höhlensystem, das von Meißen bis zum Böhmischen Mittelgebirge verläuft und von da aus bis unter das Erzgebirge abzweigt. Wir befinden uns hier, in Elbenthal, direkt unterhalb Dresdens. Das Tor aus Alfheim, unserer alten Heimat, liegt im Kern der Festung. Es ist magisch verschlossen und gut bewacht. Dennoch lässt es sich nicht verhindern, dass es ab und an einer der Kreaturen, die jetzt in Alfheim leben, gelingt, hierher durchzubrechen.«
»Und könnt Ihr sie dann nicht hier, innerhalb der Festungsmauern, abfangen und besiegen?«
»Die meisten ja«, sagte Hagen. »Aber nicht alle. Manche, weil sie zu mächtig sind, andere, weil sie sich durch Zauber zu verbergen verstehen und sich an unseren Wachen vorbeischleichen.«
»Okay, ich kann mir vorstellen, dass es ihnen gelingt, sich nach draußen zu schleichen, aber nach dem, was ich bisher durch den Flug auf der Flemys gesehen habe, gelangen sie unmöglich wieder hinein.«
»Was sie zu einer Bedrohung für die Menschen macht«, erwiderte Hagen und nickte. »Menschen, die wir geschworen haben zu beschützen dafür, dass sie uns hier Unterschlupf gewähren.«
»Obwohl sie gar nicht wissen, dass Ihr existiert?«
»Dass wir existieren, Svenya«, grollte er. »Du bist eine von uns. Akzeptiere das endlich.«
»Entschuldigung.«
»Ja, auch wenn sie keine Ahnung haben, dass wir existieren. Keine Ahnung mehr haben«, korrigierte er sich dann. »Ihre Ahnen wussten das – und denen, mit denen wir lange Zeit einvernehmlich und in Frieden gelebt haben, gilt unser Treueeid. Auch wenn man sich heute nur noch in Märchen, Sagen und Legenden an uns erinnert. Außerdem wären sie inzwischen mit all ihren technischen Errungenschaften und in ihrer schieren Zahl eine echte Bedrohung für uns, wenn sie von unserer Existenz wüssten. Allein die Schätze, die hier unten in unseren Kammern lagern, könnten eine ganze Nation dazu veranlassen, gegen uns Krieg zu führen. Von den Bankkonten einmal ganz zu schweigen. Und auch die Angst, die einige von ihnen schon immer vor uns hatten, würde sie möglicherweise dazu bewegen, uns vernichten zu wollen. Es ist paradox: Sie wissen nicht, dass wir die Einzigen sind, die sie vor den Horden Alfheims beschützen, und dürfen es auch nie erfahren.«
»Das ist ungefähr genauso paradox wie die Tatsache, dass Ihr mich dazu ermuntert, mich auf mein Wahres Ich zu besinnen, aber nicht fragen zu dürfen, wer ich wirklich bin und woher ich komme«, sagte Svenya ernst.
Schneller als er es merkte und ohne dass er es verhindern konnte, sprang ein Lächeln auf Hagens Lippen. Ein umwerfendes Lächeln. Allerdings nur für einen Moment – er hatte sich sofort wieder im Griff. »Ja, genau«, sagte er. »In etwa ist das ebenso paradox. Aber kommen wir zu Aarhain.«
»Laurins Festung unter dem Erzgebirge?«
»Korrekt. Er hat bei weitem nicht genug Mann, um zu einer Bedrohung für Elbenthal zu werden. Weder in einer offenen Schlacht und schon gar nicht in einer Belagerung. Wenigstens noch nicht. Denn mit jedem, der durch das Tor schlüpft und sich zu ihm gesellt, wächst die Zahl seiner Schergen.«
»Und warum erobert Ihr Aarhain dann nicht einfach?«
»Siehst du«, sagte Hagen und klang erleichtert, vor allem aber zufrieden. »Jetzt fängst du an, wie eine Kriegerin zu denken. Da gibt es nur ein Problem: Wir können Aarhain nicht erobern.«
»Warum nicht?«
»Es ist zu stark befestigt und zu leicht zu verteidigen«, antwortete er. »Aarhain liegt an einem Steilhang unter dem Berg. Es gibt also, anders als in Elbenthal, nur eine Seite, durch die man überhaupt hineingelangen könnte, und diese Seite ist so gut befestigt, dass
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