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Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Titel: Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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geschmiedeten Rüstung einen krassen Kontrast zu der unverfälschten Natur um sie herum.
    »Wenn Eure Sehnsucht danach so groß ist«, sagte sie, »warum zerstört Ihr dann nicht das Tor und verlasst die Höhle?«
    »Das geht nicht«, antwortete er, ohne auch nur einen Lidschlag lang zu überlegen.
    »Warum nicht?«, fragte Svenya. »Die Gefahr aus Alfheim wäre gebannt, die Menschen wären sicher, und Laurin hätte nicht nur keinen Grund mehr, Euch zu bekämpfen, sondern seine Armee auch nicht die dafür erforderliche Größe.«
    Hagen seufzte tief. »Selbst wenn mein Vater mächtig genug wäre, das Tor mithilfe seiner Magier zu zerstören, leben viele von uns noch immer in der Hoffnung, irgendwann nach Alfheim zurückkehren zu können. Eine Vernichtung des Tors würde diese Hoffnung begraben.«
    »Ihr wartet schon seit über zweitausend Jahren«, sagte Svenya. »Und ihr wartet vergeblich.«
    Hagens Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Schmunzeln. »Du vergisst unsere Unsterblichkeit«, sagte er leise. »Zweitausend Jahre sind für die meisten von uns keine besonders lange Zeit.«
    »Aber jeder einzelne Tag davon ist erfüllt von der Sehnsucht nach der Sonne oder von Heimweh …«
    »Sehnsucht und Geduld müssen einander nicht ausschließen«, sagte er lächelnd. »Das lernt man, wenn man unsterblich ist. Aber es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass wir in der Feste bleiben müssen.«
    »Welchen?«
    »Ich zeige ihn dir, wenn wir zurückkommen«, versprach Hagen. »Aber jetzt lass uns die Sonne genießen … und den Augenblick. Komm.«
    Er trat nach draußen. Svenya folgte ihm. Nach wochenlangem Gehen auf Böden aus Stein und Felsen fühlte es sich wundervoll an, über die dick mit Moos bewachsene Erde zu schreiten.
    Obwohl Svenya schon so lange Zeit bei den Elben als eine der Ihren lebte, wurde ihr erst jetzt bewusst, wie viel besser ihr Gehör geworden war. Da war das Rascheln von Frischlingen im Laub in etwa einer Meile Entfernung … ein äsendes Reh hinter dem nächsten Hügel … das Summen von wilden Bienen … und das Rauschen des Morgenwindes im Laub der sie umgebenden Bäume. Außerdem hatte sie plötzlich das Gefühl, das Gezwitscher der Vögel um sie herum zu verstehen. Nicht in Form von Worten, sondern von Stimmungen. Sie hörte Begeisterung über gefundenes Futter, den Hunger in den Stimmen der Jungen im Nest, den Alarm vor einem nahenden Baummarder und eine Entwarnung, dass die beiden Neuankömmlinge »Freunde« seien. Es brauchte einen Moment, ehe Svenya begriff, dass die Vögel damit sie und Hagen meinten.
    Die Selbstverständlichkeit, mit der Hagen seinen Weg ging, verriet ihr, dass er oft hierherkam … und das wohl schon seit langem … er schien jeden Strauch und jeden Baum hier zu kennen, und Svenya fragte sich, wie viele dieser Baumriesen er wohl schon als jungen Schössling gekannt hatte. Es war schwer zu akzeptieren, dass der Mann vermutlich älter war als der älteste Baum hier. Sie musste wieder daran denken, was sie vorhin erfahren hatte: Er war der Hagen aus der Nibelungensage. Der Hagen, der den Drachentöter Siegfried in einer verworrenen Mischung aus Treue und Verrat hinterrücks mit einem Speer gemeuchelt hatte? Nein, das konnte Svenya nicht glauben. Der Hagen, den sie kennengelernt hatte, tötete nicht von hinten. Er mochte vieles sein – grantig, stur, geheimnisvoll, düster, mal ruppig und dann wieder überraschend einfühlsam und auf jeden Fall bis zur Verbissenheit entschlossen, aber eines war er ganz gewiss nicht: feige.
    Svenya hielt inne. Dass es Männer wie Hagen tatsächlich geben könnte, Männer, an deren Seite sie sich wohl und beschützt fühlte, hatte sie nach all den bescheidenen bis beschissenen Erfahrungen in ihrer alten Welt nicht mehr zu glauben gewagt. Ekel kroch in Svenya hoch und ihr Herz schlug schneller, als sie an Charlie dachte. An Charlie, die grabschenden Kaschemmenköche, die schmierigen Kellner in den düsteren Spelunken, in denen sie gejobbt hatte – und immer wieder Charlie, Charlie, Charlie. Seine Hände, sein Keuchen. Tränen schossen in ihre Augen, und sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.
    Aufhören, befahl Svenya ihren Gedanken. Anhalten, ruhig atmen. Ich bin weg von dort. Weit weg. Er kann mir nichts mehr tun .
    Sie beruhigte sich nur langsam. Doch je klarer ihre Gedanken wieder wurden, desto ungerechter fand sie sich. Wie hatte sie Hagen überhaupt mit solchem Abschaum in einem Gedanken denken können? Im Vergleich zu

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