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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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murmelte sie.
    Rutaaura rüttelte an ihrer Schulter. »He, nicht einschlafen«, sagte sie. »Wir sollten zusehen, dass wir hier rauskommen. Ich habe nicht gesehen, aus welchem Gang du gekommen bist. Weißt du es noch?«
    Iviidis schob den Kopf aus der Decke und sah sich um. »Ich war noch nie zuvor hier«, erklärte sie. »Wo sind wir?«
    »Denk nach«, forderte Rutaaura.
    Iviidis sah sich um. »Das ist eine Höhle.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nicht an eine Höhle.« Wieder machte sie Anstalten, die Decke über das Gesicht zu ziehen.
    Rutaaura verhinderte es, indem sie Iviidis’ Kopf zwischen die Hände nahm. »Denk nach!«, wiederholte sie eindringlich.
    Iviidis ächzte. Sie richtete sich aus der zusammengesunkenen Haltung auf und starrte ihrer Schwester in die Augen. Rutaaura sah, wie ihre Pupillen groß und dunkel wurden und Iviidis zu zittern begann. Sie tastete hilflos nach Rutaauras Händen und wimmerte leise.
    Rutaaura wollte loslassen, erschreckt über das, was mit ihrer Schwester geschah, aber der Griff ihrer Finger ließ sich nicht mehr lösen. Iviidis’ Zittern wurde stärker, sie bebte am ganzen Leib. Ihre Hände umklammerten Rutaauras Handgelenke. Rutaaura biss so fest die Zähne zusammen, dass sie knirschten. Ihre Hände lagen um Iviidis’ Kopf, als wären sie festgewachsen, und sie versuchte mit aller Kraft, sie loszureißen.
    »Nicht dagegen kämpfen«, sagte eine Stimme. »Ihr beide – lasst es geschehen. Es wird euch nichts passieren.«
    Bestimmtheit und große Sicherheit klangen aus diesen Worten. Rutaaura spürte, wie Ruhe sie überkam. Ihr Griff um Iviidis’ Schläfen wurde sanfter, und Iviidis ergab sich darein.
    Sie verharrten lange in dieser Haltung, und Rutaaura glaubte zu fühlen, wie der Aufruhr in Iviidis’ Innerem sich legte. Sie wandte den Blick nicht vom Gesicht ihrer Schwester, obwohl es in ihr kribbelte, sich nach derjenigen umzudrehen, die gerade zu ihnen gesprochen hatte.
    Endlich seufzte Iviidis und schloss die Augen. »Es ist gut«, sagte sie schwach. »Du kannst aufhören. Danke, Bewahrerin. Deine Hilfe war segensreich.«
    Rutaaura löste ihre Hände und rieb die Handflächen an ihren Schenkeln. »Was habe ich denn getan?«, fragte sie verwirrt. Iviidis öffnete die Augen wieder. Ihr Blick war jetzt klar. »Rutaaura, du bist es«, sagte sie. Dann sah sie sich um. »Bei den Ewigen – wo sind wir?«
    Rutaaura begann zu lachen. Dann sah sie sich ebenfalls um. Niemand war bei ihnen, und sie war nicht einmal überrascht.
    »Ich muss schlafen«, sagte Iviidis. »Ruta, ich bin schrecklich müde. Nur einen Moment, sei nicht böse. Wir können gleich miteinander reden.« Sie zog die Decke über ihr Gesicht und lehnte sich an Rutaauras Schulter. Ihre Schwester legte den Arm um sie und schloss auch die Augen. Was immer soeben geschehen war, es hatte sie bis auf die Knochen erschöpft.
    Sie träumte, wie sie es immer tat, wenn sie in diesem Labyrinth in Schlaf sank. Sie stand unter dem Wasserfall, der laut donnernd herabrauschte, doch sie wurde nicht nass. Das Wasser verwandelte sich über ihrem Kopf in funkelnde Lichter, die sie über und über bedeckten, sich in ihr Haar setzten, auf ihren Lippen zerplatzten, in ihren Wimpern hängen blieben und sie an der Nase kitzelten.
    Rutaaura erwachte davon, dass sie niesen musste. Ein Strohhalm aus ihrem Lager hatte sich durch die Decken gebohrt und kitzelte sie an der Nase. Sie öffnete die Augen und tastete nach Iviidis, aber da war niemand an ihrer Seite. Sie lag auf ihrem Lager in der kleinen Höhle und blickte auf ein Tablett mit frisch gebackenem Brot, das verführerisch duftete.
    »Verflucht«, sagte sie und setzte sich auf.
    »Guten Morgen«, erwiderte jemand.
    Rutaaura fuhr herum. Am Fußende ihres Lagers saß eine der Schweigsamen. Sie lehnte an der Wand, die Hände in die weiten Ärmel ihres Gewandes gesteckt, und betrachtete Rutaaura.
    »Wer …«, begann Rutaaura und sah sich verwirrt um. »Wie komme ich hierher?«
    Die Elbin lächelte. Ihr Gesicht war zerfurcht wie altes Leder und ebenso dunkel. »Regenkind und Mondgefährtin haben dich hergebracht. Erinnerst du dich etwa nicht?«
    Rutaaura verschränkte die Arme. »Ich finde eure Art der Gastfreundschaft eigenartig. Sperrt ihr eure Gäste immer erst einmal für Wochen weg, ehe ihr euch bequemt, sie willkommen zu heißen?«
    Die andere legte den Kopf in den Nacken und lachte herzlich. Dann griff sie nach Rutaauras Hand und hielt sie fest zwischen ihren

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