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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Sternfängerin!«
    »Geh weiter«, sagte die Elbin leise und stieß Rutaaura an. »Die Älteste wartet.«
    Rutaaura folgte der Anweisung. »Was hat das denn wieder zu bedeuten?«, fragte sie kopfschüttelnd. »Es wäre nett, wenn mir jemand erklären würde, was hier vor sich geht.«
    »Du wirst bald verstehen«, flüsterte die Elbin. »Sei geduldig, meine Tochter.«
    Windgesang wartete am Eingang einer Hütte auf sie. Eine Ulme hielt schützend ihre Äste über das niedrige Dach. Die Älteste deutete einladend auf die Tür, und Rutaaura trat nach einem misstrauischen Blick in die Runde hindurch.
    Der Raum war klein und unerwartet gemütlich. In einer Ecke brannte ein Herdfeuer, darüber brodelte ein Kessel, und auf dem Tisch standen Trinkbecher und ein Teller mit Früchten.
    Die große Elbin, die zusammen mit der Ältesten hinter ihr eingetreten war, machte sich an dem Kessel zu schaffen. Geschirr klapperte und würziger Kräuterduft breitete sich aus.
    Die Älteste nahm die Kanne, die die andere Elbin ihr reichte, und schenkte ein. »Trink«, sagte sie freundlich. »Das wird dich erfrischen und die Gespenster einer langen Nacht vertreiben.«
    Rutaaura hob den Becher und roch an der goldgrünen Flüssigkeit. Ein frischer, herber Geruch mit einer leichten Schärfe wie von Minze stieg in ihre Nase. Sie nippte an dem Tee und bewegte den Schluck einmal im Mund herum, bevor sie einen zweiten, größeren nahm. Es stimmte, der Trank erfrischte augenblicklich ihren Geist.
    Rutaaura stellte den Becher ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Windgesang sah sie freundlich, aber abwartend an. »Was erwartet ihr von mir?«, fragte Rutaaura. Sie war sich der Anwesenheit der zweiten Elbin, die sich in ihrem Rücken niedergelassen hatte, deutlich bewusst. Noch immer war ihr Gesicht nicht zu sehen, so tief war die Kapuze herabgezogen.
    »Nichts«, sagte Windgesang erstaunt. Die alte Elbin schob die Ärmel ihres weiten Gewandes hoch zu den Ellbogen und legte die Hände ineinander. »Du bist zu uns gekommen, weil du uns gesucht hast. Wir haben dich aufgenommen. Das ist alles.«
    »Was ist dort in den Höhlen geschehen?«, fragte Rutaaura. »Ich war doch in Wirklichkeit länger als nur eine Nacht dort.« Die Älteste schüttelte den Kopf.
    »Aber ich erinnere mich an jeden Tag.«
    »Du erinnerst dich an eine lange Reihe von Träumen«, erwiderte die Älteste. »Du hast so lange geträumt, bis dir dein Name genannt wurde. Dann bist du erwacht.«
    »Manch einer muss wirklich viele Tage und Nächte in den Höhlen verweilen, bis er seinen Namen träumt«, fügte die andere Elbin hinzu. »Doch du warst bereit.«
    Windgesang senkte zustimmend den Kopf. »Du bist gesegnet, Sternfängerin«, wiederholte sie Sonnenlieds Worte.
    »Meinetwegen«, murmelte Rutaaura. »Was ist mit Ivii – mit meiner Schwester?«
    »Erzähle mir von ihr«, forderte Windgesang sie auf. Wieder glaubte Rutaaura zu spüren, wie die andere Elbin sich wachsam aufrichtete. Warum erregte der Name nur immer ihre Aufmerksamkeit?
    Sie berichtete in knappen Worten, wie Iviidis aufgetaucht und was sie zu Rutaaura gesagt hatte und was dann geschehen war.
    »Dann habe ich deine Stimme gehört« – sie nickte Windgesang zu –, »und als ich Iviidis endlich loslassen konnte, schien sie wieder zu wissen, wer ich bin. Dann sind wir eingeschlafen. Und dann war sie wieder fort.«
    Windgesang wechselte einen Blick mit der zweiten Elbin. Rutaaura hörte, wie diese sich hinter ihr bewegte.
    »Hat sie dir sagen können, wer sie gefangen hält?«, fragte die Elbin. Ihre Stimme klang nicht mehr so gelassen wie bisher, deutliche Unruhe schwang in ihrer Frage mit.
    Rutaaura drehte sich um und wollte verneinen, doch sie stockte. Die Elbin sah sie an. Die Kapuze lag nun in ihrem Nacken und enthüllte ein blasses Gesicht, das Rutaaura schmerzlich vertraut erschien.
    »Ivii«, stammelte sie verwirrt. Nein, es konnte natürlich nicht Iviidis sein. Die Elbin war größer als ihre Schwester, und älter. Auch das dichte rotgoldene Haar war nicht das ihrer Schwester, es war dunkler, von einem flammenden Ton wie herbstliches Laub.
    Die Elbin hob die Hand, als wollte sie Rutaaura berühren.
    »Meine Tochter«, sagte sie leise.
    »Lootana«, sagte Windgesang mit leisem Tadel. »Ich hatte dich doch gebeten …«
    »Ich bitte um Vergebung, Älteste«, sagte die Elbin. »Aber das, was sie uns an Neuigkeiten bringt, ist zu beunruhigend und verlangt nach schnellem Handeln. Ich fürchte, wir werden

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