Elbenzorn
Schulter eines Freundes. Olkodan und Trurre hockten sich an den Wegrand und beobachteten den Pfad.
»Wie hat er das gemacht?«, fragte Olkodan nach einer Weile. »Du schienst ja Bescheid zu wissen.«
»Täuschung«, sagte der Zwerg lakonisch. »Der alte Mann ist ein starker Magier. Der mächtigste, den ich je getroffen habe, wage ich zu behaupten.« Er schüttelte ein wenig wehmütig den Kopf. »Was hoffen wir am Ende unseres Weges zu finden?«, wechselte er das Thema.
»Meine Frau, hoffe ich.«
»Und ihre Entführer – habe ich recht?«
Olkodan wiegte den Kopf. »Wahrscheinlich. Keine Ahnung, wie Alvydas herausgefunden hat, wo sie gefangen gehalten wird, aber er ist sich recht sicher. Ich vertraue ihm.«
Der Zwerg nickte ernst. »Das solltest du auch. Sonst verwandelt er dich in ein Glühwürmchen.«
Olkodan sah ihn unsicher an. Trurre bleckte die Zähne.
»Junger Zwerg«, rief Alvydas von hinten. Trurre erhob sich und ging zu ihm. Alvydas stand mit seiner Hilfe auf und sah ihn prüfend an. »Wir sind in der Nähe unseres Ziels«, sagte er. »Dein Lehrer war ein Mensch, nicht wahr?«
Trurre nickte.
»Hat er dir gezeigt, wie man Baummagie wirkt?«
Der Zwerg hob die Hände. »Magister Davydd war ein ehrenwerter Mann. Aber seine Kunst hatte Grenzen – und so die meine.« Alvydas lächelte. »Darf ich deine Hand nehmen?«, bat er höflich.
Trurre zögerte kurz, dann überließ er seine Hand dem Griff der schmalen Finger. Alvydas umschloss die kräftige Hand des Zwerges mit beiden Händen und sah ihm dabei in die Augen. Trurre blinzelte unbehaglich. Nach einer Weile ließ Alvydas ihn los und rieb sich über die Augen.
»Wenn ich nicht so müde wäre«, murmelte der Elb. »Du hättest einen Lehrer verdient, der deine Fähigkeiten zu schätzen weiß. Zwergenmagie ist selten – und stark. Die Macht der Tiefen schlummert in euren Herzen.«
Er öffnete die Augen. »Wir sollten weitergehen. Die Nacht schreitet schnell voran, und ich fürchte das Licht des Morgens.«
Weil sie ohne weitere Störung vorankamen, erreichten sie den alten Ulmenhain lange vor der Morgendämmerung. Sie gingen an seinem Rand entlang, bis Olkodan etwas erspähte. »Dort!« Er zeigte auf die Stelle, die er entdeckt hatte. »Sieht das nicht aus wie ein Weg?«
Sie gingen ein Stück den schmal ausgetretenen Pfad entlang, unsicher, ob es sich nur um einen Wildwechsel handelte oder ob dieser Weg wirklich von Elben benutzt worden war. Schließlich deutete der Zwerg auf einige abgebrochene Zweige in seiner Kopfhöhe. »Hier ist jemand in eurer Größe entlanggekommen«, sagte er. »Und zwar recht eilig.«
Alvydas stimmte ihm zu. »Wir sollten leise sein«, sagte er. »Wir wissen nicht, was am Ende dieses Wegs auf uns wartet.« Als sie schließlich die kleine Lichtung erreichten, zeigten sich die ersten Zeichen der Morgendämmerung am Himmel. Die Vögel in den Bäumen rundum vollführten ein ohrenbetäubendes Konzert, was einerseits hilfreich war, um ihre eigenen Geräusche zu übertönen, sie aber andererseits auch wirkungsvoll daran hinderte, selbst zu hören, was eventuell vor sich ging.
Das kleine Haus lag still und dunkel. Die drei Gefährten tauschten Blicke aus, und dann schlichen Trurre und Olkodan sich an die Hütte heran. Olkodan spähte durch die winzigen Fensteröffnungen, und Trurre untersuchte den Boden. Nach einer kompletten Umrundung sahen sich beide mit einem Nicken an, und Trurre deutete auf die Tür. Er stellte sich neben ihr auf, seinen Stock erhoben, und Olkodan öffnete vorsichtig die Tür.
Der Raum war verlassen. Staubflöckchen tanzten im Luftzug. Olkodan schob sich ins Innere der Hütte und ging zu einer niedrigen, angelehnten Tür an der Rückwand. Er blickte vorsichtig durch den Spalt, öffnete die Tür ganz und betrat den Raum dahinter.
Als er wieder hinauskam, hatte Trurre sich in dem vorderen Raum umgesehen und schüttelte den Kopf. »Hier ist schon eine Weile niemand mehr gewesen. Ein paar Tage, schätze ich.« Er zerrieb Asche von der Feuerstelle zwischen seinen Fingern.
»Dort hinten ist ein Lager, und auf dem Tisch stehen Essensreste. Aber das Zimmer ist auch leer.«
»Meinst du, dass sie hier war? Deine Frau?«
Olkodan zuckte mit den Achseln. »Ich habe nichts gefunden, was darauf hindeutet.«
Sie verließen die Hütte und blickten sich um. Der Wald stand dicht wie eine Mauer um das kleine Haus. »Wenn sie hier irgendwo ist, wie Alvydas vermutet, haben wir eine lange Suche vor uns«, bemerkte der
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