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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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haben.«
    Sie deutete auf Rutaauras halb geleerten Napf. »Bist du schon satt?« Rutaaura nickte. Mondauge erhob sich. »Dann lass uns gehen. Windgesang wartet sicher schon.«
    Sie gingen nicht, wie Rutaaura erwartet hatte, zu Windgesangs Hütte, sondern wanderten daran vorbei und tiefer in den kleinen Wald, bis sie eine Lichtung erreichten, in deren Mitte sich ein großer, silbergrauer Stein erhob. Die Älteste stand mit erhobenem Kopf vor diesem Stein und hatte ihre Handflächen auf seine Oberfläche gelegt.
    »Komm her zu mir, Kind«, sagte sie, ohne sich zu ihnen umzuwenden. »Lege deine Hände hierher. Was spürst du?«
    Rutaaura folgte der Aufforderung. Der Stein war auch auf der Schattenseite warm wie ein lebendiges Wesen. Sie fühlte seine glatte Oberfläche unter ihren Fingern. Es war ein erstaunlich angenehmes Gefühl, und sie verspürte den Wunsch, ihr Gesicht an den Stein zu legen.
    »Tu’s«, sagte die Älteste leise.
    Rutaaura lehnte sich gegen den Stein. Er schmiegte sich an sie wie ein großes Tier, und sie fühlte sich willkommen. Nur noch undeutlich bemerkte sie die Anwesenheit der Ältesten an ihrer Seite. Da war der Stein, und er füllte die ganze Welt aus, mächtig und alt, schwer lastend auf der Erde, der Stein, der seine Wurzeln weit in den Boden trieb und dessen Wesenheit hinausreichte in die Ferne.
    Rutaaura folgte fasziniert seinem stummen Ruf. Sie ließ sich hineinsinken und fiel in den Sog, der sie davonzutragen drohte wie wirbelndes Wasser. Sie schnappte nach Luft und fühlte, wie ihre geistigen Finger abzurutschen begannen.
    Eine feste Hand griff nach ihr und hielt sie fest. Langsam , sagte Windgesang an ihrer Seite, und sie war wie ein ruhiges Feuer. Lass uns erst einmal sehen, Kind.
    Da war noch eine zweite Anwesenheit in der Aura des Steins. Rutaaura spürte sie wie eine kühle Wolke an einem heißen Tag. Mondauge? , dachte sie und erhielt eine wortlose Bestätigung.
    Zeig uns, was du in den Höhlen gesehen hast, Sternfängerin , kam die Aufforderung. Rutaaura wollte sich sträuben, aber Windgesang hielt ihr beharrlich die geöffnete Hand entgegen. So gab sie nach und legte ihre Erinnerung hinein.
    Eine unmessbare Zeitspanne lang schwebte sie im wirbelnden Sog des Steines, nur gehalten von den beiden Anwesenheiten neben sich. Endlich lockerte sich der feste Griff, und ehe sie davontreiben konnte, wurde sie mit einem Ruck zurückgeholt in die Welt.
    Sie fand sich auf dem Boden kniend, die Finger tief ins Moos gegraben und um Atem ringend wie eine Ertrinkende. Eine Hand strich kühl über ihren Kopf und ihre Stirn, und dann half ihr jemand, sich aufzurichten.
    »Hier«, sagte Windgesang und hielt ihr eine kleine Trinkflasche hin. Rutaaura ließ einen Schluck in ihren Mund rinnen und schmeckte scharfen Kakteenschnaps, wie ihn die Sandläufer brannten.
    »Danke«, sagte sie und gab die Flasche zurück. Dann legte sie sich zurück auf den grasigen Grund und schloss die Augen. Es drehte sich in ihrem Kopf, und das kam nicht vom Alkohol.
    Sie hörte die beiden Elbinnen leise miteinander sprechen. Zweimal fiel der Name ihrer Schwester, aber sie fand nicht die Kraft, sich zu erheben und zuzuhören. Endlich kam Windgesang an ihre Seite und nahm ihre Hand. »Du hast deine Sache sehr gut gemacht«, sagte sie. »Du bist wahrlich eins meiner Kinder, Sternfängerin. Wir muten dir sehr viel zu, und ich bin erfreut, dass ich dich nicht überschätzt habe. Doch jetzt solltest du schlafen. Der Weg des Steins fordert seinen Tribut von einer ungeübten Bewahrerin. Ich werde hinausgehen und nach deiner Schwester suchen.«
    Rutaaura wollte sie fragen, was sie damit meinte, aber die Hand der Ältesten lag schon auf ihren Augen und verschloss ihr die Welt.
    Sie erwachte in der Abenddämmerung. Neben ihr saß Mondauge, gegen den Stein gelehnt, was Rutaaura seltsam respektlos erschien. Die Älteste war nirgendwo zu sehen. Rutaaura setzte sich auf und rieb ihren Nacken. Es war still, kein Vogel war zu hören, und nur das Laub der Bäume rauschte leise im steten Wind. »Wo ist Windgesang?«, fragte Rutaaura. Mondauge steckte den kleinen Kristall, den sie in der Hand gehalten hatte, in die Tasche und deutete auf den Wald.
    »Der Stein konnte deine Schwester nicht finden«, sagte sie. »Windgesang geht nun den Alten Weg.«
    »Was bedeutet das?«, fragte Rutaaura.
    Mondauge stand auf und reichte ihr die Hand, um sie ebenfalls auf die Füße zu bringen. »Der Alte Weg ist der Weg von Baum, Wurzel und Blatt«,

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