Elbenzorn
dicht stand er neben ihr. Sie konnte ihn riechen, ein Duft nach frischem Gras und kaltem Wind ging von ihm aus.
Rutaauras Lider zitterten. Sie erzeugte einen Elbenfunken auf ihrer Hand und spürte, wie Schneegeflüsters Geist ihn durch sie berührte und den Energiestrom verstärkte. »Nun lass ihn los«, sagte er.
Sie warf den Funken, der plötzlich hell aufloderte, Richtung Feuerstelle und sah, wie zwei kleinere Äste in einem Funkenschauer aufgingen.
»Beinahe so«, sagte er vergnügt. »Noch ein wenig ungeformt, aber das ist alles eine Frage der Übung. Du hast wirklich Talent, da hatten die Alten sogar einmal recht.« Er trat ein glimmendes Stück Holz aus, das vor seinen Füßen gelandet war.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte Rutaaura.
Schneegeflüster grinste und schüttelte den Kopf. »Die Alten haben dir nichts wirklich Wichtiges verraten, hm? Sie haben mal wieder nur über unsere Geschichte gefaselt, habe ich recht?«
Rutaaura musste gegen ihren Willen lachen. Der Elb lachte mit und nahm ihre Hand. »Ich sage dir alles, was du wissen möchtest«, sagte er. »Und ich zeige dir alles, was du können musst. Es ist nicht recht, dass sie dich im Unwissen lassen.«
Rutaaura sah in seine Augen. Sie waren so unergründlich wie Katzenaugen. Sie seufzte unwillkürlich.
»So schlimm ist es nicht«, sagte er leise und blinzelte ihr zu. »Keine Angst, es tut nicht weh.«
»Da bin ich mir gar nicht so sicher«, gab sie ebenso leise zurück.
Sein Gesicht war ihrem sehr nahe. »Du wirst es nicht bereuen. Außerdem siehst du nicht aus wie jemand, der Angst vor einem kleinen Abenteuer hat.« Seine Hand berührte ihre Schulter und strich über ihren Rücken.
»Ich habe keine Angst«, flüsterte sie. »Aber ich glaube, dass es nicht klug wäre.«
»Wer sagt das?«, murmelte er und näherte seine Lippen ihrem Mund.
Sie trat zwei schnelle Schritte zurück. »Nein«, sagte sie. »Nicht jetzt, nicht hier. Ich gebe zu, dass ich mich zu dir hingezogen fühle, aber dies ist der falsche Zeitpunkt.«
Er lächelte bedauernd. »Ich deute das als ›später gerne‹«, sagte er. »Wenn du erlaubst.«
»Darüber lässt sich bestimmt reden«, sagte Rutaaura. »Später. Gerne.«
Er machte eine kleine Verbeugung und ging hinaus. Rutaaura ließ sich mit plötzlich weichen Knien auf einem Schemel nieder. Lluigolfs Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge und schien sie vorwurfsvoll anzusehen. »Es ist doch gar nichts passiert«, sagte sie laut, dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst und lachte leise. Sie blickte auf das Feuer und schüttelte wieder den Kopf. Dann hob sie die Hand, wie Schneegeflüster es getan hatte, und deutete mit einem Fingerschnippen auf die Feuerstelle. Ein Funke löste sich von ihren Fingerspitzen und schoss durch die Luft. Er verpuffte während des Fluges, aber Rutaaura lachte vor Freude. »Es tut nicht weh«, sagte sie vergnügt.
Die Empfehlung der Ältesten, sich auszuruhen, kam ihr in den Sinn. Außerdem war sie mit einem Mal auch wirklich erstaunlich müde. Ihr Lager sah einladend und weich aus. Sie wickelte sich mit einem Seufzer in ihre Decke und war eingeschlafen, kaum, dass sie die Augen geschlossen hatte.
Olkodan ging neben seiner Frau her und musterte sie ab und zu verstohlen. Ihr Gesicht war verschlossen und so ernst, dass ihre Miene beinahe böse wirkte. Sie hatten seit ihrem Aufbruch kein Wort gewechselt, und Olkodan machte sich langsam Sorgen.
Es war inzwischen dunkel geworden. Sie mieden die breiten Wege und wanderten über kleine Pfade durch den Wald auf den Sommerpalast zu.
»Was habt ihr besprochen, Alvydas und du?«, fragte Olkodan, als er das Schweigen nicht länger aushielt.
Iviidis blieb stehen und sah ihn an, als hätte sie vergessen, dass er neben ihr ging. Der angespannte Gesichtsausdruck löste sich ein wenig.
»Olko, Lieber. Ich habe dich schlecht behandelt, verzeih mir«, sagte sie und nahm seine Hand.
»Ach, dummes Zeug«, erwiderte er mit ungewohnter Heftigkeit. »Du machst dir Sorgen, das kann ich sehen. Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?«
Sie legte den Kopf zur Seite, als würde sie einer Stimme lauschen, die er nicht vernehmen konnte. Dann atmete sie tief ein und stieß den Atem hörbar wieder aus.
»Es ist schwer zu erklären«, sagte sie, »aber ich will es versuchen. Ich habe dir doch erzählt, dass ich Alvydas’ Erinnerungen in mir trage.« Sie rieb sich mit einer unbewussten Geste über die Stirn. »Das hat mich beinahe umgebracht,
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