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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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bezeichnete euch als Unruhestifter«, fragte Rutaaura, fest entschlossen, sich nicht zu sehr von ihm einnehmen zu lassen.
    Schneegeflüster überraschte sie mit einem Lachen, das ebenso heiser war wie sein Sprechen. Er warf den Kopf in den Nacken, wobei ihm sein langes weizenblondes Haar über die Schultern fiel.
    »Unruhestifter«, sagte er. »Das ist natürlich Ansichtssache. Ich würde eher sagen, wir sind traditionsbewusst. Wir wollen diesen Zustand des unwürdigen Exils beenden. Die Goldenen haben uns unser Land, unseren Besitz und unsere Ehre gestohlen. Wir fordern nur zurück, was uns von Rechts wegen gehört.«
    Rutaaura nickte nachdenklich. Er sprach aus, was sie ihr ganzes Leben lang gedacht hatte. »Das sind große Worte«, sagte sie dennoch skeptisch. »Was wollt ihr tun, um dieses Ziel zu erreichen?«
    »Wir haben schon damit begonnen, etwas zu tun, Sternfängerin.« Er legte einen Finger auf die Lippen. Seine Augen lächelten.
    Sie sah ihn fragend an, aber dann hörte auch sie die Schritte, die sich ihnen näherten. Sie drehte sich zum Pfad und sah Sonnenlied, die aus dem Wald kam und ihr erleichtert zuwinkte. »Ach, hier bist du«, rief sie. »Was machst du hier?«
    Rutaaura wollte auf ihren Begleiter deuten, doch Schneegeflüster war fort, als hätte er nie neben ihr gesessen. Sie zuckte vor Überraschung zusammen, fing sich aber gleich wieder. »Ich komme«, rief sie. »Was ist denn los?«
    »Die Älteste hat nach dir gefragt«, antwortete Sonnenlied und nahm sie beim Arm. »Komm. Lass sie nicht warten.«
    Windgesang saß noch immer in Mondauges Hütte an der Feuerstelle, aber sie sah nicht mehr so zu Tode erschöpft aus. Sie war allein. Die Älteste winkte Rutaaura zu sich und nahm ihre Hände. »Danke, dass du gleich gekommen bist«, sagte sie leise. »Du willst sicher genauer wissen, was ich erfahren habe. Deine Schwester ist an einem sicheren Ort, so viel habe ich sehen können. Ich weiß nicht, warum sie dort ist und ob sie bei guter Gesundheit und klarem Verstand ist – aber solange sie dort bleibt, wird ihr nichts geschehen.« Sie sah Rutaaura prüfend an. »Morgen machen wir uns auf den Weg in den Wandernden Hain«, sagte sie. »Bist du bereit? Dort herrscht Aufruhr und großer Streit, und ich fürchte, einige Mitglieder unserer Sippe sind daran nicht unbeteiligt.« Rutaaura dachte mit Unbehagen an ihr Zusammentreffen mit Schneegeflüster. Er hatte gesagt, sie hätten damit begonnen, etwas zu tun …
    Windgesang sah ihr Mienenspiel und legte eine Hand an ihre Wange. »Du solltest dich nicht sorgen«, sagte sie leise. »Wir sind in den Händen der Ewigen. Alles kommt, wie es kommen soll.«
    Rutaaura schüttelte leicht den Kopf. Sie war nicht dieser Ansicht, aber sie widersprach nicht. »Wir brauchen einige Wochen, bis wir dort ankommen«, sagte sie stattdessen. »Bis dahin ist längst alles vorüber.«
    »Wir werden kaum länger als einen Tag und eine Nacht für die Reise brauchen«, entgegnete Windgesang. »Und das auch nur, weil ich nicht mehr so kräftig bin wie früher. Also mach dich reisefertig, mein liebes Kind, und schlaf dich gut aus. Der Weg, den wir gehen müssen, ist anstrengend.«
    Gedankenverloren ging Rutaaura zu ihrer Hütte zwischen den dicht stehenden Kiefern am Rande des Dorfplatzes. Sie schritt über den Teppich aus leise knisternden Nadeln und betrat den kleinen Raum, in dem es dunkel und kühl war. Vor der Feuerstelle kniete sie nieder und griff nach dem Glühstein, der auf der gemauerten Einfassung lag.
    »Das Werkzeug hast du nicht nötig«, sagte Schneegeflüster. Er hockte still in einem Winkel, die langen Beine hochgezogen und die Arme darum verschränkt. Seine Gestalt war in Schatten gekleidet, Schatten verhüllten seine Züge und ließen seine Konturen mit der Umgebung verschmelzen. Einzig sein helles Haar schimmerte kalt wie Mondlicht auf mitternächtlichem Schnee. »Schau, du musst es so machen.«
    Er hob eine Hand und deutete mit einem winzigen Schnippen seiner Finger auf das aufgeschichtete Holz. Es zischte leise, und die Äste begannen zu glimmen. »Es ist so ähnlich wie bei einem Elbenfunken«, erklärte er. »Du musst deine Gedanken nur sammeln. Du gestattest?«
    Er wartete ihre Zustimmung nicht ab, sondern stand auf und kam zu ihr. Seine Keckheit verblüffte sie, aber sie ließ zu, dass er ihre Schläfe mit seinen Fingerspitzen berührte. Ein leises Summen erfüllte ihr Ohr.
    »Jetzt denke einen Funken«, hauchte er. Sein Atem streifte ihre Wange, so

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